Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
für ihn eh gelaufen is, aber er mag keine kleinen Räume. Er will wieder in die Sammelzelle, sonst rührt er sein Essen nicht mehr an.«
»Hast du schon mal mit schwierigen Häftlingen zu tun gehabt?«
»Es geht ja noch weiter. Mein Mann von der Nachtschicht, der hat den Kerl, diesen Pogue, doch nicht wiedererkannt, aber jetzt sagt er, dasser ihn vorher in der Nähe vom Gefängnis gesehn hat, möglicherweise mit ’n paar andern Typen. ›Verflucht, warum hast du mir das nicht erzählt?‹ sag ich. Und jetzt sagt er, er kann sich an nix mehr erinnern, und außerdem hat seine Frau ihn krank gemeldet. Bei mir im Knast is noch keiner umgebracht worden, Robicheaux. Schaff die Arschgeige hier raus.«
Ich hinterließ meine Waffe bei Kelso, und ein uniformierter Wachmann betätigte den Hebel und öffnete die vergitterte Schiebetür, durch die man auf einen Gang mit den Einzelzellen gelangte. Der Wachmann führte mich an drei leerstehenden Zellen vorbei zur letzten und ließ mich ein.
Sonny saß in Unterhosen auf der Kante seiner Pritsche und hatte einen bloßen Fuß auf die dünne Matratze hochgezogen. Sein Oberkörper war hart und weiß, die Narben auf seinem Brustkorb wirkten wie ein Geflecht vertrockneter lila Wundmale.
Ich klappte die an einer Kette aufgehängte Pritsche an der gegenüberliegenden Wand herunter und setzte mich.
»Willst du die Sache mit mir regeln?« fragte ich.
»Ich hab nicht den richtigen Kragen dafür, falls du Absolution willst.«
»Wer sagt denn, daß ich so was brauche?«
»Du arbeitest für den Staat, Dave. Du weißt, wie es wirklich zugeht, aber du arbeitest trotzdem für den Staat.«
»Eins will ich dir mal in aller Härte sagen, Sonny. Ich glaube, daß diese Frau in Saint Martinville wegen dir gestorben ist. Wie wär’s also, wenn du deine Nase mal eine Zeitlang ein bißchen weniger hoch trägst?«
Er stellte beide Füße auf den Betonboden und nahm einen Apfel von einem Pappteller, auf dem sich außerdem zwei unberührte Sandwiches und ein Schlag Kartoffelsalat befanden.
»Willst du ihn? Kelso hat ihn von daheim mitgebracht«, sagte er.
»Willst du wirklich in Hungerstreik treten?«
Er zuckte mit den Achseln, ließ den Blick über die Graffiti an den Wänden schweifen, schaute auf ein Kreuz, das jemand mit einem Feuerzeug an die Decke gebrannt hatte. »Du bist kein übler Kerl, Streak«, sagte er.
»Hilf uns. Vielleicht kann ich dir ein paar Vergünstigungen verschaffen.«
»He, wir wär’s mit ’m bißchen Pflaumengeist? Der Putzmensch hat mir welchen zugesteckt.« Er schaute mich an, sah meinen Gesichtsausdruck. »Ich kann dir nicht helfen, weil ich nichts weiß. Aber du hörst ja nicht zu.«
»Was steht in dem Notizbuch?«
Er schaute mich einen Moment lang an, als überlege er, wie er es in Worte fassen sollte, nur um sie wieder zu verwerfen. »Wo sitzen unsere nächsten Nachbarn?« fragte er.
»Die nächsten drei Zellen sind leer.«
»Ich hab mal einen Job für die DEA gemacht. Nicht etwa, weil die auf mich standen. Die haben bloß gedacht, mein Büchereiausweis bedeutet eventuell, daß ich zwei, drei graue Zellen mehr habe als die Pfeifenköpfe und Rotznasen, die sie normalerweise für ihre Drecksarbeit engagieren. Jedenfalls kann ich es mir nicht leisten, vor allem, wenn man die Umgebung bedenkt, daß so was an die große Glocke gehängt wird, falls du weißt, was ich damit sagen will.«
»Komm schon, Sonny.«
»Wenn du der Kokainroute drunten in den Tropen folgst, stößt du immer auf Waffen. Ich bin Jungs begegnet, die in Laos gewesen sind, im Goldenen Dreieck, Jungs, die mitgeholfen haben, das Opium in Hongkong zu Heroin weiterzuverarbeiten. Dann hab ich nach und nach Geschichten von Kriegsgefangenen gehört, die von der Regierung einfach abgeschrieben wurden. Ich hab ein Haufen Schuldgefühle gehabt, und daher hab ich gedacht, ich könnt’s wiedergutmachen, indem ich mich mit den Familien dieser Vermißten und Kriegsgefangenen in Verbindung setze. Ich hab mitgeholfen, ein Telefonnetz aufzubauen, mit allerlei Leuten, die ich nicht mal gekannt hab. Mir war nicht klar, daß ein paar davon wahrscheinlich ehemalige Nachrichtendienstler waren, die mit den Opiumbauern in Laos unter einer Decke gesteckt hatten. Kommst du mit?«
»Ja, ich glaub schon«, sagte ich.
»Ihr Gewissen hat sie geplagt, und so haben sie den Familien nach und nach erzählt, was da drüben vor sich gegangen ist. Ich hab eine Todesliste zusammengestellt, ohne es zu wissen. Das ist
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