Im Dunkeln der Tod
Wer hat ihn zuletzt lebend gesehen? Dieser Mord war geplant.«
IM FLUGZEUG HATTE Johan Zeit, an Emma zu denken. Alles war so schnell gegangen, und er hatte sie nicht mehr anrufen können. Jetzt konnten sie sich früher sehen als geplant. Er sah ihr Gesicht vor sich, die dunklen Augen, die blasse Haut und den sensiblen Mund. Sie hatte ihn nach ihrer letzten Begegnung beim Abschied auf eine neue Weise angesehen, fand er. Als bedeute er ihr jetzt mehr. Drei Jahre dauerte diese Fernbeziehung mit all ihrem Hin und Her schon, und doch war die Zeit, seit Emma in sein Leben getreten war, die beste seines Lebens gewesen.
Er beugte sich zur Wand vor und schaute aus dem Fenster. Die dicken Wolken erinnerten an den nebligen Strand, auf dem Helena Hillerström drei Jahre zuvor ihrem Mörder in die Arme gelaufen war. Sie war Emmas beste Freundin gewesen, und er und Emma hatten sich im Zusammenhang mit dem Mord an Helena kennengelernt. Johan hatte Emma interviewt, und das hatte zu ihrer Beziehung geführt. Sie war damals verheiratet gewesen und außerdem Mutter von zwei Kindern. Es kam ihm jetzt sehr lange her vor. Jetzt war Emma seit einem Jahr von Olle geschieden und hatte noch ein Kind bekommen – diesmal eines von Johan. Elin war acht Monate alt und einfach ein Wunder. Aber es war nicht leicht gewesen, diese neue Beziehung zu pflegen. Es gab so viele Probleme, so viele Menschen waren darin verwickelt.
Daran, dass er in Stockholm stationiert war, konnte Johan nicht viel ändern. Und Emma musste auf Sara und Filip, die beiden älteren Kinder, Rücksicht nehmen. Ihr Exmann machte wieder Schwierigkeiten und blockierte trotzig jegliche Kooperation, was die Kinder anging.
Sie kämpften im Gegenwind. Mehrmals hatte er geglaubt, ihre Beziehung gehe dem Ende entgegen, aber jedes Mal hatten sie zueinander zurückgefunden. Jetzt schien ihre Liebe stärker zu sein denn je. Johan hatte akzeptiert, dass Emma Zeit für die beiden anderen Kinder brauchte und dass sie noch nicht bereit war, mit ihm zusammenzuleben, obwohl sie Elin hatten.
Sie versuchten sich so oft wie möglich zu sehen. Johan kam mindestens einmal pro Woche beruflich nach Gotland, aber er fand das viel zu selten. Nach dem Sommer wollte er seinen Vaterschaftsurlaub nehmen und dann bei Emma in deren Haus in Roma wohnen. Das sollte ihre Feuertaufe sein. Wenn es gut ging, würden sie im folgenden Jahr heiraten und endgültig zusammenziehen. Das hoffte jedenfalls Johan. Auch ein weiteres Kind stand auf seinem Wunschzettel, aber da musste er vorsichtig sein. Emma hatte sich energisch zu Wehr gesetzt, wenn er es bisher gewagt hatte, dieses Thema zur Sprache zu bringen.
Er hatte kaum seinen Kaffee getrunken, als der Flugkapitän bereits mitteilte, dass der Anflug nach Visby begonnen habe. Wenn Johan in Stockholm war und sich nach Emma und Elin sehnte, schien Gotland entsetzlich weit weg zu sein. Jetzt war er fast dort.
PIA WARTETE SCHON mit dem Ü-Wagen. Ihre schwarzen Haare standen wie immer in allen Richtungen ab, und sie hatte sich die Augen so grell geschminkt wie eh und je. An ihrem Nasenflügel funkelte ein lila Steinchen. Sie lächelte und umarmte ihn.
»Schön, dass wir uns mal wieder sehen, Mann. Hier ist echt der Bär los.«
Ihre braunen Augen leuchteten.
»Die Polizei hat vor einer Stunde eine neue Pressemitteilung herausgegeben. Sie vermuten, dass ein Verbrechen vorliegt.«
Mit triumphierender Miene reichte sie ihm einen Zettel.
Nichts liebte Pia Lilja mehr als das hier. Action. Drama. Raschen Einsatz.
Johan las die kurz gefasste Mitteilung. Um vier Uhr sollte eine Pressekonferenz stattfinden. Er zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus der Tasche und bat Pia, das Radio laut zu drehen, damit sie die Sendungen des Lokalfunks hören konnten.
»Haben sie etwas darüber gesagt, wie er ermordet worden ist?«
»Himmel, nein.«
Pia verdrehte die Augen und lenkte den Wagen durch die Norderport, wo sie dann vor dem steilen Rackarbacken eine abrupte Querwendung machte.
»Aber ich weiß, wer das Opfer ist«, sagte sie zufrieden.
»Ach, wer denn?«
»Er heißt Egon Wallin und ist hier in der Stadt ein Promi. Er betreibt oder betrieb«, korrigierte sie sich rasch, »die größte Galerie in Visby, du weißt, die, die gleich am großen Platz liegt.«
»Wie alt war er?«
»So um die fünfzig, tippe ich mal, verheiratet, zwei Kinder. Gotländer, ursprünglich aus Sundre, verheiratet mit einer Gotländerin. Wirkte immer wie ein solider Ehrenmann. Es kann sich
Weitere Kostenlose Bücher