Im Dunkeln der Tod
Es wäre ein Erlebnis gewesen, ganz dicht an ihn heranzuspringen, ihn auf irgendeine Weise zu provozieren.
Obwohl er sich entschieden hatte, langsam vorzugehen, um das Leiden so weit wie möglich zu verlängern, überkam ihn die brennende Lust, hier und jetzt etwas zu unternehmen, nur um dem anderen Angst einzujagen. Er ging auf die Toilette und überzeugte sich davon, dass seine Tarnung unversehrt war.
Als er wieder herauskam, war der Mann zur Scheibenhantel übergewechselt. Er lag auf einer Bank und stemmte. Aus der Ferne sah er zu, wie der Mann immer schwerere Gewichte auflegte. Am Ende jammerte er laut vor Anstrengung. Vierzig Kilo auf jeder Seite der Stange.
Vorsichtig blickte er sich um, ehe er näher trat. Der Mann lag auf dem Rücken und bemerkte ihn nicht. Niemand war in der Nähe, die Frau im engen Trikot trainierte mittlerweile in einem anderen Raum und kehrte ihnen den Rücken zu, und der einzige Mann, der noch im Raum gewesen war, war gegangen. Jetzt musste er sich in Acht nehmen.
In letzter Sekunde riss er sich zusammen. Aus irgendeinem Grund hielt er an und wich einige Schritte zurück. Er durfte jetzt nicht zu eifrig werden. Das könnte alles ruinieren. Er musste sich beherrschen, durfte keine Dummheit machen. Was, wenn er von der Polizei gefasst würde, ehe er fertig wäre? Das wäre eine Katastrophe!
Er lief die kurze Treppe zum Café hoch. Ließ sich in einen Sessel sinken und versuchte, sich auf ruhiges Atmen zu konzentrieren.
Nach einer Weile stand er auf, um sich ein Glas Wasser zu holen, aber dabei überkam ihn eine plötzliche Übelkeit. Er musste zur nächsten Toilette rennen, die unten neben den Trainingsräumen lag.
Heftige Zuckungen durchliefen seinen Körper, und er erbrach sich über der Toilette. Zu seinem Ärger spürte er, wie ihm dabei die Tränen über das Gesicht liefen. Lange blieb er danach auf dem Boden sitzen und versuchte, wieder zu sich zu kommen. Würde er es schaffen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen?
Plötzlich wurde an die Tür geklopft. Er erstarrte, und sein Herz hämmerte auf Hochtouren los.
Rasch sprang er auf, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und betätigte mehrere Male die Spülung. Als er die Tür öffnete, hätte ihn fast der Schlag getroffen. Da stand der Mann. Mit besorgter Miene fragte er, wie es ihm gehe.
Für einige ewigkeitslange Sekunden starrte er in die graugrünen Augen, die Besorgnis und Mitgefühl zeigten. Er murmelte, es sei schon gut, und drängte sich an dem anderen vorbei.
ALS KNUTAS SPÄTER bei der Besprechung die übrigen von der Ermittlungsleitung von Martin Kihlgårds baldigem Eintreffen informierte, wurde die Meldung von spontanem Applaus begrüßt.
Der lebhafte, bullige Kommissar von der Zentralen Kriminalpolizei war nicht nur ein tüchtiger Polizist, sondern auch ein Clown, der die Stimmung vieler hoffnungsloser Besprechungen aufgeheitert hatte. Karin Jacobsson war besonders begeistert von ihm, und jetzt strahlte sie übers ganze Gesicht. Knutas hatte Karin schon lange nicht mehr so froh erlebt. Ab und zu fragte er sich fast, ob die beiden ineinander verliebt sein könnten. Zugleich war die Vorstellung dieser beiden als Paar einfach albern. Karin wog höchstens halb so viel wie Kihlgård und reichte ihm gerade bis an die Brust. Außerdem trennten sie fünfzehn Jahre, was natürlich nicht unbedingt ein Hindernis sein musste, aber Kihlgård wirkte älter, schien einer ganz anderen Generation anzugehören. Kihlgård erinnerte Knutas an den Revuefilmstar Thor Modéen aus den fröhlichen Vierzigerjahren. Die beiden sahen sich bisweilen lächerlich ähnlich. Aber man durfte sich von Kihlgårds jovialem Äußeren nicht in die Irre führen lassen. Er war ein überaus kluger Polizist, hart, analytisch und ohne jegliche Furcht.
Als das erfreute Gemurmel über diese Nachricht sich gelegt hatte, ergriff Thomas Wittberg das Wort. Er hatte die Nachbarschaft befragt und konnte aus dem Snäckgärdsväg, wo die Wallins wohnten, Interessantes erzählen.
»Erstens hat es sich herausgestellt, dass Monika Wallin einen Liebhaber hat«, fing Wittberg an.
»Ach was?«, fragte Knutas überrascht.
Als er früher an diesem Tag mit Egon Wallins Frau gesprochen hatte, wäre er nicht auf die Idee gekommen.
Es verbreitete sich gespannte Aufmerksamkeit.
»Sie hat etwas mit einem Nachbarn, Rolf Sandén. Er wohnt in derselben Reihenhaussiedlung. Er ist seit einigen Jahren Witwer, und seine Kinder sind aus dem Haus. Bauarbeiter in Frührente. Sie
Weitere Kostenlose Bücher