Im Dunkeln der Tod
großsprossigen Fenstern aus wie eine Villa am Mittelmeer. Das Haus war von einer Mauer umgeben, der Garten straff komponiert, mit gepflegten, niedrigen, jetzt von Schnee bedeckten Hecken und Büschen. Hier und da stand eine Skulptur und gab dem verlassenen Park etwas Gespenstisches. Am entfernten Parkende stand ein kleineres Gebäude im selben Stil wie das Haupthaus, eine Galerie oder ein Atelier. Am Rand des Plateaus lagen einige kleine Holzhäuser.
Knutas hielt vor dem Hauptgebäude. Stieg aus dem Auto und sah sich um. Die Besitzerin war nicht zu sehen.
Er schaute auf die Uhr und sah, dass er ein wenig zu früh war. Er atmete die frische Luft ein. Was für ein seltsamer Ort. Die Gebäude sahen verlassen aus, verfallene Schönheit. Es war deutlich, dass hier seit vielen Jahren alles leer stand. Die Skulpturen wirkten wie Erinnerungen an eine entschwundene Zeit. Hier hatten einstmals Kunst und Liebe geblüht, aber das war jetzt lange her.
Die Besitzerin kam über den Kiesweg von den Holzhäusern her auf ihn zu, eine elegante Frau von Mitte fünfzig, die blonden Haare hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt. Ihre Lippen waren knallrot angemalt, ansonsten war sie ungeschminkt. Obwohl sie gleich alt waren, kannte Knutas Anita Thorén nicht. Sie hatten nur kurz dieselbe Schule besucht und sich nie in denselben Kreisen bewegt.
Sie schaute ihn freundlich, aber ein wenig abwartend an, als er sich vorstellte.
»Eigentlich weiß ich gar nicht richtig, was ich hier will«, erklärte er. »Aber ich würde gern das Original der Statue sehen, die auf Valdemarsuddde gefunden worden ist.«
»Selbstverständlich.«
Sie bogen um die Ecke, und dort stand die Statue vor einer Wand.
»Sie heißt ›Sehnsucht‹, und das kann man in ihrem Gesicht sehen!«
»Ist das eine Sie? Ich finde, das ist nicht so leicht zu erkennen.«
»Ja, sie hat schon etwas Geschlechtsloses. Und das passt ja gut zu Dardel, dieses Androgyne, ein wenig Undefinierbare …«
Anita Thorén sprach über die Skulptur, als sähe sie sie zum ersten Mal. Eine Enthusiastin, dachte Knutas. Allein schon, so ein Anwesen zu übernehmen, das erforderte sicher jede Menge Engagement. Er bewunderte diese Art von Menschen. Solche, die wirklich für etwas brannten.
»Anna Petrus, die diese Statue geschaffen hat, war eine Zeitgenossin von Dardel und eine gute Freundin von Ellen Roosval.«
»Ja, ich habe gehört, dass er oft hier war und dass er den Garten angelegt hat«, sagte Knutas und kam sich vor wie ein Kenner.
»Ja, und nicht nur das«, erwiderte Anita Thorén. »Dieser Kunstdieb wusste wirklich, was er tat, als er eine Skulptur aus Muramaris unter den leeren Rahmen gestellt hat. Hier hat Nils Dardel nämlich den ›Sterbenden Dandy‹ gemalt.«
Knutas hob die Augenbrauen. Das war ihm neu.
»Ach was?«
»Das wird zumindest behauptet. Ich zeige es Ihnen.«
Sie ging vor ihm durch ein kreischendes Gittertor. Das stattliche Haus sah jetzt heruntergekommen und schäbig aus. An der Mauer war an mehreren Stellen der Putz abgeblättert, die Fenster hätten dringend renoviert werden müssen.
Sie nahmen den Seiteneingang und betraten eine alte Küche.
»Da«, sagte sie und zeigte auf einen benachbarten Raum. »Da in diesem Zimmer wurde der ›Sterbende Dandy‹ gemalt. In dem Sommer, in dem Dardel auch den Garten angelegt hat. Er marschierte hier im Park herum und sagte den Gärtnern, wie alles auszusehen hatte. Das ist in Briefen und Unterlagen aus jener Zeit beschrieben. Zugleich arbeitete er aber am ›Sterbenden Dandy‹. Zuerst hat er ein Aquarell in anderen Farben erstellt, auf dem drei Männer den Dandy umstanden, und der Dandy hielt in dieser Fassung einen Fächer in der Hand. Diese erste Fassung besaß eine viel stärkere homosexuelle Prägung.«
Knutas hörte höflich zu. Er interessierte sich nicht sonderlich für Kunstgeschichte.
Sie gingen weiter in den Saal, wo in der Mitte ein prachtvoller Kamin aus gotländischem Sandstein prangte.
»Ellen war Malerin und Musikerin, vor allem aber Bildhauerin«, erzählte Anita Thorén. »Sie hatte unter anderem bei Carl Milles studiert, und sie hat diesen gewaltigen Kamin gestaltet. Er ist fast drei Meter hoch, und das Haus wurde um ihn herum gebaut. Die Reliefs symbolisieren die vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde, aber auch die menschliche Liebe, das Leid und die Arbeit. Diese Figur dort stellt die Göttin der Liebe dar«, sagte sie und zeigte auf eins der herrlichen Reliefs, mit denen der Kamin
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