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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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im Mund hatte, das ihn am Atmen hinderte. Meine Finger tasteten seinen Hals entlang. Sein Puls schlug, aber unregelmäßig. Ein dünner Streifen Blut lief aus dem einen Ohr, und die Nase sah aus, als sei sie beim Aufschlag zerquetscht worden.
    Der Nieselregen bedeckte uns mit einer leichten Schicht winziger Tröpfchen, und es floß still im Rinnstein, wo seine Zeitung sich langsam voll Wasser sog und reglos liegenblieb.
    Der Türsteher des Lokals kam herüber. »Ich habe nach einem Krankenwagen telefoniert«, sagte er. »Ist er …?«
    »Noch nicht.« Ich behielt meine Hand an der Seite seines Halses. Der Puls war jetzt schwächer.
Verzweifelt sah ich mich um. Das kleine Straßenstück war auffallend menschenleer. Die beiden Leute oben an der Straßenecke waren dort stehengeblieben, wie um zu demonstrieren, daß sie mit all dem nichts zu tun hatten.
Dann kam der Krankenwagen. Die beiden Träger bewegten sich schnell und routiniert auf der Straße. Ein kurzer Überblick erzählte ihnen alles, was sie über die Situation wissen mußten. Sie stützten seinen Nacken, während sie ihn auf die Bahre und in den Wagen hoben. Ich folgte nach.
»Kommst du mit?« fragte der eine von ihnen.
»Ich kenne ihn.«
Er machte ein Zeichen, daß ich mich hinten in den Wagen setzen sollte. Dann griff er nach dem Sauerstoffgerät, das unter dem Dach über uns hing.
Ich beugte mich zum Fahrersitz vor. »Hast du ein Funkgerät?« Der Fahrer setzte den Wagen in Bewegung und nickte. »Mach eine Meldung an die Polizei, daß sie nach einem großen, blauen Lieferwagen Ausschau halten sollen, der in Richtung Nordnes fuhr. Auf jeden Fall fuhr er um Murhjørnet herum«, fügte ich hinzu.
»Sonst noch was?«
Ich zögerte. »Grüß von Veum und sag, daß ich im Krankenhaus bleibe, bis …« Ich wußte nicht, was ich zu erwarten hatte. »Bis alles klar ist.«
Er machte ohne weitere Fragen über das Funkgerät Meldung, startete die Sirenen und beschleunigte mit einem leichten Druck auf das Gaspedal. Wir fuhren über die erste Kreuzung, als die Ampel von gelb auf rot sprang und die Häuser rasten an uns vorbei, als säßen wir im Kino und drinnen im Vorführraum spielte irgendetwas verrückt. Trotzdem sah ich mit erstaunlicher Klarheit, woran wir vorbeifuhren. Leute, die sich nach uns umdrehten und starrten, Autos, die zur Seite schwenkten und Autofahrer, die uns im Moment des Vorbeifahrens ihre Gesichter zuwandten.
Der andere Träger, ein junger Mann mit hellem, kurzgeschnittenem Haar und jungenhaftem Flaum die roten Wangen hinunter, hielt die Sauerstoffmaske einsatzbereit direkt vor Hjalmar Nymarks Gesicht. Der breite Brustkasten bewegte sich kaum erkennbar auf und ab, und ab und zu kam ein gurgelnder Laut von irgendwo tief aus seinem Körper. Keiner von uns sagte etwas.
Der Wagen fuhr direkt nach Haukeland. Als wir an der Spitze von Kalfaret waren, hob Hjalmar Nymark plötzlich den Kopf und sah sich um. Der Blick war verwirrt. Dann fand er mich. Seine Stimme war heiser, unsicher: »Veum?«
Ich nickte und lächelte: ein gespanntes, eisernes Lächeln.
Er wollte noch mehr sagen. Er suchte nach Worten. Ich beugte mich zu ihm vor. Der junge Träger beobachtete uns aufmerksam. Der Chauffeur sah uns im Spiegel an.
Hjalmar Nymark sagte: »Veum … Wenn ich sterbe …«
Ich nickte, um zu zeigen, daß ich verstand, dann schüttelte ich den Kopf, um zu sagen, daß er nicht sterben würde.
»Find raus, … was wirklich passiert ist, mit Stauer-Johan … 1971 …«
Dann schloß er die Augen und war wieder weg. Gerade, als wir durch das Tor zum Krankenhaus einbogen, öffnete er unvermittelt die Augen und sagte: »1971. Stauer-Johan.« Dann war er wieder weg.
Die beiden Träger liefen mit Hjalmar Nymark auf der Bahre vorsichtig in das Gebäude. Routinierte Krankenschwestern empfingen ihn, und ich folgte ihnen, hinein in den Fahrstuhl und im Haus hinauf, ohne daß jemand etwas sagte.
Hjalmar Nymark wurde direkt in den Operationsraum gefahren. Eine liebenswürdige Frau mit schwarzem Haar, olivenfarbener Haut und dunkelbraunen Augen wies mich in einen kleinen Tagesraum mit Möbeln, die vom Flohmarkt der Inneren Mission hätten stammen können und Topfpflanzen, die aussahen, als hätten sie schon den ersten Weltkrieg überlebt.
Unter einem der Tische lag eine magere Auswahl der Zeitungen vom Vortag. Das schien mir passend. Ich fühlte mich selbst wie eine der Nachrichten von gestern.
7
    Niemand störte mich. Der kleine Tagesraum war vom Korridor durch eine dünne Wand

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