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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Blick im Lokal herum. Der magere Mann mit dem traurigen Aussehen hatte den Tisch neben uns verlassen. Der Lautstarke saß vornübergebeugt und erzählte seine lustigen Geschichten in sein Bierglas. In regelmäßigen Abständen verteilte sich ein nasses Grinsen auf seinem Gesicht, aber das Lachen war lautlos, stumm.
Hjalmar Nymark sagte: »Es gab da einen Mann, der Harald Wulff hieß. Ja – Wulff, aber mit zwei f. Er kam aus der Gegend um Ulven, geboren 1914 auf einem kleinen Hof und arbeitete in der Zeit zwischen den Kriegen als eine Art Elektriker. Schon 1934 wurde er Mitglied der Nasjonal Samling. Ich erinnere mich, daß er unter denen war, die wir nach einer Schlägerei im Theater 1936 auf die Polizeiwache geliefert kriegten. Als die Nazis gegen Men imorgen! von Nordahl Grieg demonstrierten. Offiziell galt er immer nur als kleiner Nazi. 1946 wurde er wegen Kollaboration verurteilt und saß, bis er nur drei Jahre später auf Bewährung freigelassen wurde. Bei ein paar der Unglücksfalle, in denen ich ermittelte, gab es einige, die meinten, Harald Wulff vielleicht in der Nähe gesehen zu haben. Leute, die ihn von Zusammenstößen aus der Zeit zwischen den Kriegen kannten. Aber es gab nie jemanden, der hundertprozentig sicher war. Er war schließlich in einer ganz besonderen Lage. Er hinkte nämlich.«
»Aha!?«
»Vierzehn Jahre alt erlitt er einen Unfall, danach hinkte er – auf dem linken Bein, wir verhörten ihn so gründlich, wie es möglich war, 1945. Konrad Fanebust, der gelernter Jurist war, und ich selbst leiteten die Verhöre, aber es war wie der Versuch, Wasser aus einem Granitgneis zu pressen. Kein Wort, nicht das kleinste Geständnis. – Wir hatten noch eine Spur. Die Morde, die mit einer Pistole begangen worden waren – bei dreien davon fanden wir die Kugeln. Alle waren aus der gleichen Pistole mit dem gleichen Kaliber abgefeuert, einer Luger 505. Also einer deutschen Pistole. Als wir Wulff 1945 verhafteten, wohnte er in einer erbärmlichen kleinen Pension draußen in Nordnes, aber in seinem Zimmer fanden wir gar nichts. Seine Eltern waren tot und weitere Familienangehörige hatte er nicht. Den Hof in Ulven hatten andere übernommen; trotzdem durchsuchten wir ihn so gründlich, daß wir fast Stein für Stein und Planke für Planke voneinanderrissen. Aber keine Pistole. Sie wurde bis heute nicht gefunden. Wahrscheinlich liegt sie auf dem Grund von Vågen oder irgendeines anderen Gewässers. Und ›Giftratte‹ erwischten wir nie.«
»Und das war das Ende?«
»Ich schwor mir, daß ich verdammt nochmal nicht aufgeben würde. Überall, wo Leute von ›Giftratte‹ sprachen, notierte ich alles, was sie sagten. Obwohl der Fall längst zu den Akten gelegt war, setzte ich die Untersuchungen, wenn auch mit jahrelangen Abständen auf eigene Faust fort. Bis 1971.«
»1971? Was geschah da?«
»Im Januar 1971 wurde am Rande von Nordnes die Leiche eines Mannes gefunden. Das Gesicht war häßlich maltraitiert, aber er wurde trotzdem identifiziert. Es war Harald Wulff.«
»Hast du ihn selbst gesehen?«
»Ich konnte nichts Definitives sagen. Der gleiche Körperbau, nur um vieles älter, die gleiche Behinderung am Bein, aber das Gesicht; es war einfach widerlich.«
»Und wer hat ihn identifiziert?«
»Eine Frau, mit der er zusammenlebte.«
»Und wurde dieser Fall dann aufgeklärt?«
»Wer es getan hatte? Nein. Ich werde dir was sagen – ich glaube auch nicht, daß so sehr viel getan wurde, um ihn aufzuklären. Ich selbst schied zwei Monate später aus, im März, und da war die Sache schon zu den Akten gelegt. In der Realität hieß das, nichts würde mehr geschehen, wenn nicht etwas aufsehenerregend Neues auftauchte. Die meisten rechneten damit, daß hier alte Widerstandsleute einfach das Gesetz selbst in die Hand genommen hatten, und ich glaube nicht, daß es viele gab, die das unangemessen fanden. Noch heute sind vielleicht viele verbittert darüber was damals passiert ist.«
»›Giftratte‹ bekam also am Ende seine Strafe. Wenn er es wirklich war.«
Hjalmar Nymark nickte. Das kräftige Gesicht war rotgefleckt und die Augen streiften noch immer ruhelos durch den Raum, als könne er das Suchen nach diesem Mann, den sie ›Giftratte‹ nannten, immer noch nicht lassen, oder nach seinem Gespenst.
»Aber, hör mal«, sagte ich. »Was hat dies alles mit dem Brand bei Pfau zu tun?«
Er sah mich eine Weile an, bevor er antwortete. Schließlich beugte er sich zu mir vor und sagte: »1953 war Harald Wulff bei Pfau als

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