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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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nennen Sie es ruhig Verhöre
– die wir damals durchführten, 1953, nach dem Brand. Wir hatten uns ein paar Büros der alten Polizeiwache in der Allehelgensgate zuteilen lassen. Spät abends saßen wir und gingen technische Berichte durch, Zeugenaussagen der Angestellten, zufälliger Passanten und der Brandspezialisten. Es waren ruhige Abende, damals, Anfang der 50er Jahre. Da war abends noch nicht solch ein Verkehr. Wenige Autos, der eine oder andere Bus, ein Taxi. Es war ein recht kleines Büro, das überfüllt wirkte, wenn wir zu dritt waren. Ich saß an einer Längsseite des Schreibtisches, Hjalmar Nymark an der anderen und eingeklemmt zwischen Schreibtisch und Wand saß der, mit dem wir sprachen. Direkt unter dem einzigen Bild im Raum – einer Fotografie König Haakons. Und einer derjenigen, mit denen wir am längsten und häufigsten sprachen, war Harald Wulff.«
Das Gesicht verhärtete sich. »Er fühlte sich getreten, wiederholte er wieder und wieder. Wir hatten ihn auch 1945 verhört, er kannte uns also. Daß er eine Strafe wegen Landesverrats abgesessen hätte, gäbe uns nicht das Recht, ihn so zu behandeln. Wir kümmerten uns wenig um diese Einwände. Sowohl Hjalmar Nymark als auch ich hatten während des Krieges schlimme Sachen erlebt, und das war noch nicht so viele Jahre her. Außerdem war dies alles vor der Zeit der großen Verteidiger. Heutzutage bekommt ja das abscheulichste Nazipack eine Behandlung wie des Königs Schoßhunde.«
Er lächelte schief. »Ich sehe Hjalmar Nymark da am Tisch, groß und gutmütig, aber hart wie Stein. So war er während des Krieges auch. Er wurde nie erschöpft. Morgens um vier, wenn sich mein Gesicht anfühlte wie verschimmelte Spagetti, war er noch immer frisch und energisch. Harald Wulff hing längst in den S eilen, während Hjalmar Nymark um ihn herumtanzte und ihn aus der Reserve locken wollte.«
»Aber er fiel nie um?«
Sein Blick kam schwerfällig zurück ins Jetzt. »Er fiel nie um. Er schwankte nicht einen Fingerbreit. Und das machte uns unserer Sache noch sicherer. Wäre er zusammengebrochen, hätte er um Verständnis gejammert, vielleicht hätten wir gezögert. Aber er war – er zeigte keine anderen Gefühle als Irritation, Wut. Und wenn er noch so müde und erschöpft war, gab er nichts preis. Und genau so – genau solch ein Typ Mensch mußte ein Mann wie ›Giftratte‹ sein. Eine schwarze Katze mit neun Leben, die immer auf allen Vieren landete, egal, von wie hoch sie gefallen war.«
Wieder verhärtete sich sein Gesicht. »Wir waren mit mehreren seiner Opfer während des Krieges eng befreundet. Er machte ihnen gnadenlos den Garaus, auf seine giftige, unsichtbare Weise. Unfälle widerfuhren Menschen, die das Unglaublichste überlebt hatten. Menschen, die hundert Meter senkrecht die Felsen hochgeklettert waren, nachdem man sie von einem Fischkutter bei hartem Seegang an Land gesetzt hatte – solche Menschen fallen nicht die Treppe hinunter und brechen sich das Genick. Sowas passiert einfach nicht. Menschen, die zwei Stunden über einen teilweise vereisten Hardangerfjord geschwommen sind, fallen nicht in Vågen und ertrinken! Ich erinnere mich, daß wir, Hjalmar Nymark und ich, nach einer der nächtlichen Sitzungen ernsthaft diskutierten, ob wir ihn schlicht und einfach ins Auto verfrachten, an einen entlegenen Ort fahren und liquidieren sollten. Wir hatten solche Dinge während des Krieges getan – und für uns war Harald Wulff ein Überbleibsel dieses Krieges, ein Repräsentant des alten Feindes, auch wenn wir uns tausendmal im Jahre 1953 befanden.«
Er schüttelte irgendetwas mit einem Schulterzucken ab. »Aber wir taten es also nicht. Hjalmar stellte sich dagegen. Er war zu sehr Polizist geworden. Im Zweifel für den Angeklagten. Hätten wir sichere Beweise gehabt, dann … aber sonst nicht. Und das war’s dann. Zum Schluß mußten wir ihn gehen lassen. Wieder hinaus in die Freiheit. Wir setzten unsere Arbeit fort. Verhörten andere, versuchten, den einen schwachen Punkt zu finden – denn der mußte da irgendwo sein, glaubten wir.«
»Und was ist mit dem Brand? Dieser Vorarbeiter, Holger Karlsen, der sozusagen die Schuld bekam …«
»Das war ein Skandal. Ein Mann wie Harald Wulff ging frei aus – und ein gewissenhafter, zuverlässiger Arbeiter wie Holger Karlsen bekam die Schuld. Jedenfalls die Verantwortung, im Bewußtsein der Leute. Ich weiß noch, wie seine Frau zu mir kam. Sie war völlig verzweifelt.«
»Ja. Ich habe mit ihr gesprochen. Ich

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