Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
hörte, Sie hätten ihr hilfreich zur Seite gestanden?«
»Oh, das war nicht der Rede wert.«
»Hjalmar Nymark meinte, Holger Karlsen sei vielleicht niedergeschlagen worden.«
Er betrachtete mich mit festem Blick. »Das ist korrekt. Er hatte starke Kopfverletzungen. Im Abschlußbericht hieß es, daß sie wahrscheinlich von herabgefallenen Teilen der Dachkonstruktion herrührten. Es hätte ebensogut ein Schlag mit einem harten Gegenstand gewesen sein können. Für Hjalmar und mich war das ungefähr die Stelle, an der wir dem vermuteten schwachen Punkt am nächsten kamen. Wenn wir nur die – mögliche – Mordwaffe gefunden hätten … Aber wir fanden sie nie und hätten wir sie gefunden, wäre es nicht möglich gewesen, Fingerabdrücke sicherzustellen, es wäre alles versengt gewesen. Aber hör mal, du hast mir noch nicht geantwortet … Was ist denn passiert mit Hjalmar.«
»Hjalmar Nymark wurde im Juni von einem unbekannten Autofahrer überfahren. In der letzten Woche wurde er aus dem Krankenhaus entlassen, viel zu früh nach meiner Meinung, aber sie schoben es auf den Personalmangel. Ich fuhr hin, um ihn zu besuchen, im dritten Stock in einem Haus in der Skottegate. Die Tür sollte offenstehen, denn er erwartete eine Haushaltshilfe. Aber als ich ankam, war die Tür verschlossen. Die Haushaltshilfe war auch da und wir brachen ein – und fanden ihn im Bett. Auf dem Boden lag ein Kopfkissen. Für mich sah es fast so aus, als könnte jemand ihn erstickt haben, aber die Obduktion ergab Herzstillstand, als Folge der starken Belastungen und der Schäden, die er sich bei dem Unfall zugezogen hatte. Die Polizei fand keinen Grund, den Fall zu untersuchen.«
»Aber Sie?«
»Die Haushaltshilfe sah einen Mann das Haus verlassen, als sie kam. Der Mann hinkte auf einem Bein – wie es ›Giftratte‹ nachgesagt wurde – und wie es jedenfalls Harald Wulff tat.«
Er sah mich skeptisch an. »Naja …«
»Und noch eins. Vor dem Unfall zeigte Hjalmar Nymark mir eine Schachtel mit alten Zeitungsausschnitten, Kopien von Berichten und so weiter von 1953. Ich durchsuchte die Wohnung, nachdem ich ihn fand, und die Polizei tat dasselbe. Wir fanden die Schachtel nirgends. Jemand hat sie entfernt. Und wer sollte daran ein Interesse haben?«
Er nickte langsam. »Da ist etwas Wahres dran. Aber was ist mit – Harald Wulff starb doch damals 1971 wirklich, oder?«
»Oder es starb ein anderer 1971. Ich bin durchaus nicht so sicher, daß es Harald Wulff war. Aber wenn er es wirklich war … Wäre es denkbar, daß ›Giftratte‹ trotz allem jemand ganz anderes war?«
Er betrachtete mich nachdenklich. »Selbstverständlich. Alles ist möglich. Aber in dem Fall sind die Spuren so kalt, daß es hoffnungslos wäre, ihn jetzt noch zu finden.«
» Diese Spuren nicht!«
»Nein, die vielleicht nicht. Aber trotzdem. Ich würde annehmen, daß, was ›Giftratte‹ angeht, abgesehen von ihm selbst, in ganz Norwegen Hjalmar Nymark und ich diejenigen sind, die am meisten über ihn wußten. Und wir hätten beide unsere rechte Hand darauf verwettet, daß Harald Wulff ›Giftratte‹ war.«
»Aber in dem Fall – in dem Fall bist du der einzige, der …«
Es wurde still zwischen uns. Der letzte Gedanke hatte Stille gesät. Wieder einmal fühlte ich, wie mich das schleichende Unbehagen überkam. Wieder einmal spürte ich eine Art unsichtbarer Anwesenheit, als säße Harald Wulff mit uns im Raum und erfüllte uns mit Kälte. Konrad Fanebust durchbrach die Stimmung, indem er auf die Uhr sah. »Tja, also, ich habe leider einen Termin, Veum. Aber egal. Sollte es noch mehr geben, was Sie wissen müssen, dann melden Sie sich ruhig. Ich hege größte Sympathie für das, was Sie tun, und sollten Sie etwas herausfinden, würde ich großen Wert darauf legen, wenn Sie mich auf dem Laufenden hielten. Ich werde – Sie können durchaus davon ausgehen, daß ich für Ihre ökonomische Unabhängigkeit sorge, um es ein wenig formell auszudrücken.«
Ich erhob mich. »Das wäre sehr freundlich, aber ich betrachte das ganze als einen Freundschaftsdienst für Hjalmar Nymark.«
Er erhob sich hinter dem Schreibtisch. »Dann lassen Sie mich die Zeche bezahlen, auch als einen Freundschaftsdienst für Hjalmar.«
Ich öffnete den Mund, aber er winkte kurz ab.
»Wir kommen auf die Frage später zurück.«
Ich hob die Schultern und protestierte nicht, sondern sagte: »Dann bedanke ich mich.«
Er nickte kurz. »Auf Wiedersehen.«
Ich ging zur Tür, leise auf dem weichen Teppich. Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher