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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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worden. Und als Jungs am Anfang der 50er Jahre sprachen wir mit der gleichen Ehrfurcht von ihm, mit der wir Hopalong Cassidy, Roy Rogers und Shetland-Larsen erwähnten. Nach dem Krieg wurde er bald zu einer Art Gallionsfigur und hätte er einer anderen Partei angehört, wäre ihm ein Ministersessel sicher gewesen. So mußte er sich mit einer Amtszeit als Bürgermeister von Bergen zufrieden geben, wobei es mehr geworden wären, wenn er es nicht vorgezogen hätte, sich aus der Politik zurückzuziehen. Danach verschwand er mehr oder weniger hinter die Kulissen. Aus den Zeitungen ging allerdings hervor, daß er eine erfolgreiche und betriebsame Schiffahrtsgesellschaft leitete und das in Zeiten, in denen die Reedereiwirtschaft nicht eben wenige Klippen zu umschiffen hatte. Abgesehen davon zog man ihn nach wie vor hinzu, wenn das eine oder andere Kriegsjubiläum begangen werden sollte, das der Besetzung oder der Befreiung, obwohl er in allen Interviews beteuerte, wie ungerecht es sei, gerade ihn immer wieder und auf Kosten all der anonymen Freiheitskämpfer hervorzuheben, die während des Krieges seine Kampfgenossen gewesen waren.
    Konrad Fanebust hatte Büros mit Aussicht auf Byparken, im zweiten Stock, und von einem Vorzimmer gehobenen Stils mit großen, braunschwarzen Möbeln, orientalischem Teppich und einer großen, dunkelgrünen Palme in einer Ecke schirmte seine Sekretärin ihn vor der Umwelt ab. Schon allein in ihr Büro vorzudringen, war kein einfacher Job.
    Die Sekretärin war höflich, charmant und abweisend. Sie war Ende dreißig, hatte goldbraunes Haar, trug einen schwarzen Pullover und einen grauen Rock und äußerst gepflegte weiße Hände mit blankem Lack auf kurzgeschnittenen Nägeln. Und sie beherrschte den Refrain:
    »Haben Sie einen Termin?«
Ich schüttelte betrübt den Kopf. »Nein, leider nicht.« »Dann fürchte ich …«
»Fürchten Sie nichts. Erzählen Sie einfach Fanebust, daß ich
    anläßlich des Todes eines gemeinsamen Freundes hier bin. Hjalmar Nymark. Sagen Sie, es sei wichtig. Äußerst wichtig.« Sie betrachtete mich nachdenklich. »Also gut. Haben Sie Zeit, zu warten?«
    Ich machte eine generöse Armbewegung. »Wenn Zeit Geld bedeutete, wäre ich reich.«
»So.« Sie lächelte ein wenig spitz, klopfte dann aber an eine Tür und wartete auf Antwort, bevor sie hineinging.
Solche Büros wirken immer dunkel. Die Fenster sind schmal und altertümlich, die Wände so dick, daß du kaum das Verkehrsrauschen hörst, die Zentralheizung schafft eine gleichbleibende Durchschnittstemperatur während aller zwölf Wintermonate des Jahres und vor den Fenstern könnte die Atombombe fallen, ohne daß du es bemerken würdest. So kommt es einem jedenfalls vor.
Sie kam zurück, ließ aber die Tür hinter sich nur angelehnt. Das war ein gutes Zeichen. »Sie können hineingehen. Er hatte gerade einen Augenblick Zeit.«
Ich dankte und lächelte. Mir war klar, daß sie eine tüchtige Sekretärin war, die mit Umsicht über die Augenblicke ihres Chefs wachte. Ich ging hinein und verschloß sorgfältig die Tür hinter mir.
    Konrad Fanebust saß am Schreibtisch und schrieb. Er sah kurz und prüfend zu mir auf. Dann zeigte er mit der freien Hand auf einen Stuhl, während er weiterschrieb. Er war ein Mann mit Sinn für Systematik: ein Ding zur Zeit.
    Ich bekam Gelegenheit, sowohl Fanebust, als auch sein Büro eingehend zu betrachten, bevor ein einziges Wort fiel.
Das Büro war groß, Bücherschränke mit Glastüren davor bedeckten die Wände und die hohen Fenster waren mit Hilfe tiefgrüner Samtgardinen noch schmaler gemacht worden. Der Teppich war so dick, daß es sich, als ich den Raum zu dem mir angewiesenen Stuhl hin durchquerte, anhörte, als hätte ich Katzenpfoten. Es war ein altmodischer Stuhl, mit hohem, schmalen Rücken, aber durchaus nicht unbequem.
Fanebusts Schreibtisch hätte selbstverständlich größer sein können, wenn man eine Polonese darauf veranstalten wollte. So war aber reichlich Platz für einen konzentrierten Tango, solange man den Ausfallschritt nicht übertrieb.
Konrad Fanebust mußte ungefähr 65 Jahre alt sein. Ich erkannte ihn aus den Zeitungen wieder, nur sein Haar war weißer, als ich es erinnerte. Das Gesicht war markant, knochig und charaktervoll. Die Augen blitzten blau unter buschigen, grauweißen Augenbrauen und die Gesichtsfarbe war rotbraun und frisch, was durch den Kontrast zu dem weißen Haar noch hervorgehoben wurde. Er trug einen diskreten, koksgrauen Anzug mit Weste,

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