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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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las Xenia noch einmal die letzte Bestätigung durch. Das war es also.
    Sie rief den Streifenwagen, der zehn Minuten später eintraf. Die Kommissarin befahl, auf dem direkten Weg zum Hotel zu fahren, und umriss in knappen Worten den Sachverhalt: Robert Unterberger und Salvatore Cassara waren am Dienstagmorgen um 10 Uhr 50 auf die Maschine nach München gebucht. Ohne Rückflugticket. Sie wollten das Land verlassen. Für den darauffolgenden Abend dann hatten sie zwei Firstclass-Tickets der brasilianischen TAM Linhas Aéreas nach Sao Paolo. Ebenfalls ohne Rückflug.
    Eile war angesagt, doch als der Beamte am Steuer Blaulicht und Sirene anschalten wollte, schritt sie ein. Kein Aufsehen. Fünf Minuten später rannten alle drei durch den Regen in die Hotelhalle, wo Xenia sich auswies, obgleich der Nachtportier sie kannte. Als sie sich nach den beiden Herren erkundigte, verwies der Mann sie in die Bar. Während die Uniformierten noch in der Halle warteten, sondierte sie die Situation vom Tresen aus. Der Kellner servierte soeben den dritten doppelten Whisky. Sie hatten es also nicht eilig und fühlten sich sicher.
    »Ich kenne diese Blonde«, flüsterte Einstein. »Irgendwo in den letzten Tagen habe ich sie schon gesehen. Mehr als einmal.«
    »Du wirst sie in einem deiner früheren Leben gevögelt haben.«
    Unterbergers Fratze versteinerte schlagartig, als zwei Uniformierte an ihren Tisch traten. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Armbanduhr: fünf vor zwölf.
    »Buona sera, Signori, die Ausweise bitte«, sagte einer der Polizisten.
    »Wir sind Hotelgäste«, protestierte Unterberger. »Was soll das?«
    »Routinekontrolle. Können Sie sich ausweisen?«
    »Ich habe meinen im Zimmer«, sagte Einstein. »Meine Freundin schläft schon, ich würde sie nur ungern stören. Fragen Sie bitte an der Rezeption, die haben sie bei der Anreise fotokopiert. Hier befinden wir uns nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Eine Bar ist ein öffentlicher Ort, Signore. Wie heißen Sie?«
    »Cassara, Salvatore, geboren am 30. Juni 1967 in Bagnara Calabra. Freiberufler.«
    Auch der Direktor machte seine Angaben, während der Beamte ein Blatt in seinem Notizblock wendete und nickte. Der Mann machte keinen Hehl daraus, dass er bereits wusste, wen er vor sich hatte.
    »Geboren am 1. Juli 1969 in Bozen. Archäologe, mich interessieren die Grabungen in Aquileia. Ihr habt hier einen unglaublichen Reichtum an alten Steinen«, schleimte Unterberger. »Ist etwas Schlimmes passiert?«
    Die große Blonde am Tresen stellte hörbar die Espressotasse auf den Unterteller. Sie hatte die beiden unablässig beobachtet und schlenderte nun zu ihnen herüber. Sie präsentierte ihren Dienstausweis mit der linken Hand und setzte sich in den freien Sessel, während ihre Kollegen wie verwurzelt stehen blieben.
    »Sie gestatten«, sagte die Kommissarin. »Sind Sie die Mieter des blauen Audi in der Hotelgarage?«
    »Sind wir schon wieder so gerast, dass Sie sich die Mühe machen müssen, bei diesem Sauwetter und um diese Zeit nach uns zu suchen?«, fragte Einstein amüsiert. »Das täte mir schrecklich leid, verzeihen Sie bitte.«
    »Dürfen wir Ihnen etwas anbieten? Wie haben Sie uns gefunden«, hakte Unterberger umgehend ein. »Man passt manchmal einfach nicht auf, und dann passiert es. Wegen unseres schlechten Gewissens haben wir den Wagen schon am Nachmittag in der Garage versteckt, damit uns niemand findet. Und mit Sicherheit hätten wir uns die nächsten Tage damit nicht auf die Straße gewagt.«
    Der Direktor lächelte versöhnlich, doch die Blonde verzog keine Miene.
    »Und wie wollten Sie dann morgen früh zum Flughafen kommen?«, fragte die Kommissarin und erhob sich.
    Einstein räusperte sich und versuchte, seinem Erstaunen so wenig wie möglich Ausdruck zu geben. »Mit dem Taxi natürlich.«
    »Das Geld können Sie sich sparen, ich bringe Sie selbst hin. Und zwar gleich jetzt.« Xenia hatte mit ihren Beinen unmerklich die Grundstellung ihres Kampftrainings eingenommen. Wer so viel Beute gemacht hatte, würde durchaus dafür kämpfen, in ihren Genuss zu kommen. »Ihre Wartezeit bis zum Abflug wird sich ein bisschen verlängern.«
    »Ich befürchte, du verstößt gegen die Vorschriften, Calamity Jane«, zischte Einstein und warf dem Direktor einen kurzen Blick zu.
    Cassara rollte von seinem Sessel und entwischte dem Zugriff des Polizisten, der am nächsten stand. Auch Unterberger sprang blitzschnell auf und rammte den anderen Beamten mit der Schulter, doch schaffte

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