Im Fadenkreuz der Angst
meinem Kopf gibt keine Ruhe.
Du weißt, was du tun musst.
Sie wird lauter. Lauter. Eine Endlosschleife in meinem Kopf:
Du weißt, was du tun musst. Du weißt, was du tun musst.
Das Ding ist, ich weiß es nicht.
13
Montag früh fahre ich mit dem Fahrrad zur Schule. Freitag scheint ewig lange her zu sein, aber Eddy, die Fritte, sieht das anders. Er erwartet mich mit fünf seiner Footballkumpels am Schuleingang. Zwei sitzen bei ihm in seinem BMW, die anderen in Mark Greeleys Geländewagen. Ich tue so, als bemerkte ich sie nicht, fahre an ihnen vorbei und biege auf den Roosevelt-Weg.
Sie folgen mir, Eddy vorneweg. Eddy lässt den Motor nicht aufjaulen, hupt nicht, sagt kein Wort. Rollteinfach nur direkt hinter meinem Hinterrad her. Drehe ich auf, dreht er auf, fahre ich langsamer, fährt er langsamer. Nach halber Strecke zieht er neben mich. »Na, Kameltreiber, was’ los?«, ruft er aus dem Fenster. »Ich habe gesagt, ich warte auf dich. Wieso bist du abgehauen?«
Ich trete schneller.
»Kriegst du vor Angst die Zähne nicht auseinander?«
Seine Kumpels klappern mit den Zähnen. Eddy drängt mich an den Bordstein. Soll er doch versuchen, mich von der Straße zu schubsen. Dann wird sich seine Karre eine hübsche Schramme einfangen.
Eddy weiß das auch. Er fährt vor mich und bremst. Ich stecke zwischen seinem BMW und dem Geländewagen. Die Typen springen aus den Autos. Ich will abhauen. Sie drängen mich zurück.
Ich bleibe stehen. »Was wollt ihr?«
»Rate mal.« Eddy gibt mir einen Stoß. Ich falle, verheddere mich in meinem Fahrrad. Eddy tritt auf die Speichen meines Vorderrads. Ich rappele mich auf, aber Eddy stößt mich um, sodass ich auf den Rücken knalle, Eddy wirft sich auf mich und klemmt meine Hände am Boden fest. Sein Trupp umringt uns.
»Kleine Gedächtnishilfe, Kameltreiber«, sagt er. »Wenn du zu McGregor gehst, dann denk dran: Ich habe in Geschichte nichts zu dir gesagt. Du hast mich einfach so beschimpft. Kapiert? Außerdem«, er drückt sein Knie in meinen Unterleib, »beim nächsten Mal kommst du, wenn ich es dir sage.«
»Harrison!« Das ist Mr Bernstein. Sein Corolla bleibt neben uns stehen.
Eddy lässt mich los und springt hoch. Seine Kumpels weichen zurück. Ich rappele mich auf.
»Was ist hier los?«, fragt Mr Bernstein.
Ich bürste mir die Hosen ab. »Nichts weiter, Sir. Ich bin mit dem Rad gestürzt. Die Jungs wollten mir helfen.«
Mr Bernstein nimmt mir das nicht ab. »Sechs auf einen, Harrison.« Er schüttelt angewidert den Kopf.
»Ich dachte, Sie mögen es, wenn Jungs aufeinanderliegen«, murmelt Eddy.
Seine Kumpel kichern.
Mr Bernstein tut so, als hätte er das nicht gehört. »Tätlichkeiten auf dem Schulgelände. Ihr Jungs könnt euch auf eine sehr ernste Unterredung beim Konrektor gefasst machen.«
»Wieso? Sabiri sagt, es ist alles in Ordnung. Und das werden wir alle sagen.« Eddy grinst schmierig. »Au ßerdem , mein Vater ist im Elternbeirat. Sehen Sie die neue Anzeigetafel auf dem Footballplatz? Wir alle wissen, wer die bezahlt hat, also, ich an Ihrer Stelle würde mir gut überlegen, was ich sage. Mein Vater weiß über Sie Bescheid. Wenn Sie uns was anhängen, hängen wir Ihnen was an.«
»Die Nummer zieht bei mir nicht«, faucht Mr Bernstein. »Los, verschwindet.«
Eddys Kumpels gehen zu ihren Autos.
»Pass bloß auf!«, flüstert Eddy. Ich weiß nicht, ob das mir oder Mr Bernstein gilt. Eddy rutscht auf den Fahrersitz. Der Motor jault auf, Eddy und sein Trupp fahren weg.
Mr Bernstein legt mir die Hand auf die Schulter. »Ist wirklich alles in Ordnung?«
Ich nicke.
»Es ist hart, was?«, sagt er freundlich.
»Was denn?«
»Die Beleidigungen. Alles.« Er lächelt vorsichtig. »Ich bin in Utah aufgewachsen.«
Für einen Moment sitzen wir beide im selben Boot.
»Soll ich dich hochfahren? Dein Fahrrad ist ganz schön ramponiert. Ich kann es in den Kofferraum legen.«
»Danke, das geht schon.« Ich habe Angst, dass Eddy zurückkommt. Aber noch mehr fürchte ich, dass irgendjemand denken könnte, ich bräuchte Schutz. Oder dass mich gar jemand aus Mr Bernsteins Auto steigen sieht. Ich werde rot vor Scham. Ich mag Mr Bernstein. Was schert mich, was die anderen denken? Die sind sowieso blöd.
»Ich möchte, dass Sie Mr McGregor sagen, was geschehen ist«, sagt Mr Bernstein nach einer kurzen Pause.
»Es ist nichts geschehen, Sir.«
»Das ist nicht wahr. Dass wissen Sie so gut wie ich.«
Ich drücke meine Fußspitze in den Boden. »Sir, ich weiß, dass
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