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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Zeug auf der Liste, die dir dein Dad immer mitgegeben hat?«
    »Hast du ein Problem damit?«
    »Nein«, sagt Andy und hebt die Hände. »Ich habe einfach immer geglaubt, du wärst nicht religiös, weiter nichts.«
    »Ich weiß nicht, was ich bin. Ich will nur nichts falsch machen.«
    Ich steige aus und rufe an, aber es springt nur der Anrufbeantworter an: »Bla, bla, bla, Sie wissen, was zu tun ist.« Piep.
    Diesmal weiß ich wirklich, was zu tun ist. Ich rufe immer wieder an, immer wieder. Wenn jemand da ist, dann werde ich so lange nerven, bis irgendjemand schreiend den Hörer abnimmt. Schließlich, als ich gerade denke, wahrscheinlich ist wirklich keiner da, geht jemand ran. Sie.
    »Wer ist da?«
    Ich erstarre.
    »Wer immer du bist, hör auf mit dieser verdammten Anruferei«, faucht sie. »Der Anschluss wird überwacht, also verpiss dich! Oder ich rufe Officer Volldepp und der nimmt dich hoch. Übrigens: Fröhliches Wichsen, Officer!« Klick. Ich lächle. Sie klingt wie ich.
    Andy hupt und ich springe ins Auto. Andy biegt in die Gerrard Street und jeder nimmt sich ein Stück Pizza. Die Pizza schmeckt wie Pappe: getrockneter Teig mit einem Klecks Tomatensoße und einer Handvoll Pilze, die aussehen wie geröstete Kakerlaken. Wir schlingen die Stücke trotzdem runter. Andy bemüht sich, den Straßenbahnschienen auszuweichen, während Marty und ich die Hausnummern checken.
    Indischer Bazar. Erst verstehe ich nicht, was der Name soll. Hier wirkt absolut nichts indisch. Lauter zweistöckige Gebäude mit flachen Dächern, ein paar Pensionen, eine Tankstelle, ein Donutladen, ein Waschsalon, eine Kneipe, zwei schmuddelige Bars. Darüber traurige Wohnungen mit staubigen Vorhängen, kaputten Rollos oder Alufolie vor den Fenstern, hin und wieder Bretter statt Glas.
    Aber plötzlich sind wir mittendrin: rechts und links in endloser Reihe indische und pakistanische Restaurants, Geschäfte mit Halal-Lebensmitteln, ein islamischer Buchladen, Schmuck- und Stoffläden, in den Schaufenstern Seide und Saris. Einige Geschäfte breiten sich bis auf die Straße aus, da stehen Regale mit leuchtenden Schals neben Tabletts mit Süßigkeiten, Obststände mit Kisten voll Mangos, Litschis am Zweig, reifen Granatäpfeln, daneben Stapel von Kupfertöpfen, Pfannen und rostfreien Kebabspießen.
    Ich sehe mich hektisch um. »Hier muss irgendwo Hasan wohnen.«
    »Ist schon komisch«, sagt Marty. »Hasan ist auf der Flucht und die Leute machen einfach weiter, als wäre nichts.«
    »Warum nicht?«, sagt Andy. »Er versteckt sich bestimmt nicht hier in der Gegend. Außerdem gibt es auch in Meadowvale einen noch nicht identifizierten Terroristen und trotzdem gehen die Leute einkaufen und so.«
    Ich entdecke die blaue Tür, die in den Nachrichten zu sehen war. »Da, das ist die Tür.«
    Wir fahren bis zur nächsten Ecke. Auf der linken Seite ist eine kleine Bibliothek. Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Die Betonstufen, das Fenster mit dem Rollo davor. Wo habe ich das schon mal gesehen? Mein Gott. Das FB I-Foto . Hier hat Dad sich mit Hasan getroffen.
    Wir biegen in eine Seitenstraße. Von dort geht eine Gasse ab, die zwischen der Rückseite der Geschäfte in der Gerrard Street und lauter kleinen Privatgrundstücken verläuft, bis zur nächsten großen Kreuzung. Kein Wunder, dass Hasan so leicht entkommen konnte. Alle Gebäude sind miteinander verbunden, alle haben eine Feuerleiter und Wohnungen im zweiten Stock. Selbst wenn die Polizei Vorder- und Hintertüren bewacht hat, hätte er über die Dächer fliehen und von dort irgendwo runterspringen, in einen Garten flüchten und sich in Luft auflösen können.
    Wir parken.
    »Okay, Sammy«, sagt Andy. »Marty und ich gehenin die Bücherei und beobachten von dort aus, wie du zu Hasan gehst. Wenn die Frau auf dein Klingeln nicht aufmacht, dann klopf an die Tür, bis deine Knöchel bluten.«
    »Langsam«, sage ich. »Das ist viel zu auffällig. Auch wenn hier keine Fernsehteams sind, die Wohnung wird bestimmt überwacht, von einem Auto aus oder von einer Wohnung auf der anderen Straßenseite. Ich lauf erst mal langsam dran vorbei. Bin gleich wieder da.«
    Die beiden gehen zur Bücherei. Ich ziehe mir die Kapuze über und schlendere die Straße entlang, gucke in die Schaufenster. Die Tür zu Hasans Wohnung ist zwischen zwei Restaurants gequetscht.
    Ich tue so, als würde ich die Speisekarte des einen Restaurants betrachten, gucke aber auf die Klingelschilder von Hasans Tür. Es gibt sechs Klingeln. Die

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