Im fernen Tal der Hoffnung
imaginäre Krümel von der Tischplatte in ihre Hand.
» Ist alles in Ordnung, Mädchen? Du siehst ein bisschen angegriffen aus.«
Maggie fuhr sich mit der Hand über ihr geblümtes Baumwollkleid. » Ich habe doch morgens noch nie viel geredet, Robert. Ich glaube, so langsam macht mir mein Alter zu schaffen.«
» Blödsinn. Du bist doch noch rüstig wie ein Schaf, das einen felsigen Hügel hinaufklettert, meine Maggie.« Er wuschelte ihr durch die Haare und legte seine groÃe Hand kurz auf ihre Schulter. » Dann hätten wir endlich genug, um direkt an den Supermarkt verkaufen zu können. Ich dachte an Legehennen und Eier. Wenn der Junge erst einmal zurück ist, könnten wir Futter für sie kaufen. Und wenn wir erst einmal etabliert sind, dann holen wir uns eins von den Mädchen von Childers, damit es uns beim Sortieren hilft. Das wäre auch für dich gut, Maggie.« Er krabbelte sie unter dem Kinn. » Bisschen weibliche Gesellschaft, was?«
» Ja, das wäre schön.«
» Na, du hörst dich aber nicht so begeistert an, Mädchen.«
Maggie band ihre Schürze ab. Sie brauchte frische Luft. » Das sind groÃartige Pläne, Robert.«
Robert zwinkerte ihr zu und ergriff seine Brieftasche. » Ich würde auch hier an das Haus noch ein Zimmer anbauen.« Er blickte sich in dem winzigen Cottage um. » Und ich würde einen neuen Bücherschrank bauen.« Er fuhr mit den Socken über den fadenscheinigen Teppich. » Und einen Teppichâ¦Â«
» Du kommst zu spät«, erinnerte Maggie ihn sanft. Robert hatte einen Termin bei Mr Levi in Tongue. Ein Steuerberater aus Edinburgh war da, um zu besprechen, wie es mit der Steuer auf Jims Vermögen aussah.
Robert küsste sie auf die Wange, und sie half ihm in sein Tweedjackett. Es war zwar Sommer, aber der Wind vom See drang kalt ins Haus, als sie die Tür öffnete. Maggie fröstelte in der handgestrickten Jacke.
» Das wird für mich das gröÃte Vergnügen seit Jahren werden, wenn ich Lord Andrews sagen kann, dass er sich seinen mickrigen Woll-Kontrakt in seinen Kilt stecken kann.«
Maggie blickte ihrem Mann nach, als er in seinem alten Pick-up davonfuhr. Der Wagen machte ein kratzendes Geräusch, und aus dem Auspuff drangen dunkle Rauchwolken, als Robert in einen anderen Gang schaltete. Es roch nach Diesel, und zu den Verbesserungen ihres Mannes würde wohl auch ein neuer Pick-up gehören. Wahrscheinlich sollte sie sich für ihn freuen, aber sie glaubte nicht, dass sie mit dem Geld eines anderen leben konnte, vor allem nicht mit diesem Geld. Es war falsch.
Es roch nach Regen, als Maggie das weià verputzte Cottage verlieÃ. Das Wasser des Sees schlug an die Kieselsteine am Ufer. Maggie ging an einer niedrigen Steinmauer entlang, die am Haus vorbei den Hügel hinaufführte. In ihrer Jugend hatte Maggie davon geträumt, eine berühmte Langstreckenläuferin zu werden. Sie steckte sich ihren Rock ins Höschen und rannte am See entlang, an dem das kleine Haus ihrer Eltern lag. Damals hatte sie noch nicht einmal Laufschuhe, sondern lief in ihren braunen Schnürschuhen, mit denen sie auf den Kieselsteinen ausrutschte, wenn diese rutschig vom Morgentau waren. Wenn sie dann den Wind im Rücken hatte, warf sie vor Freude die Arme in die Höhe und fühlte sich frei. Wenn sie an den Wochenenden keine Schule hatte und ihre Mutter ihr keine Aufgaben übertrug, kletterte sie als Teil ihres Lauftrainings den Hügel hinauf. Oben stand sie dann inmitten der grünen und violetten Vegetation und rang nach Atem.
In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren war Maggie den Hügel hinter ihrem Haus hinaufgestiegen, immer an der Steinmauer entlang. Es war ein schöner Anblick, denn Robert hielt sein Anwesen in Ordnung. Nicht ein Stein in der Mauer war locker, nicht eine Schindel auf dem Dach ihres Hauses fehlte. Ihre wenigen Schuppen waren wettergeschützt, ihre neuen Kartoffeln weich und butterig, und am Feuer lag immer ein Stapel Torf. Die Kuh gab reichlich Milch, und Maggie butterte selbst, auch wenn die Nachbarn sich darüber lustig machten, weil man in Tongue alles bekam, was man brauchte. Wenn man sie gefragt hätte, ob sie glücklich sei, hätte sie Ja gesagt. Allerdings war sie sich auch im Klaren darüber, dass sie es nicht anders kannte. Wie sollte man sein Leben beurteilen, wenn man es mit nichts vergleichen
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