Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
Seilzüge, Matten, Gewichte, das Trampolin und die Stufenbarren für mich mehr als nur Sportgeräte waren. Sie waren Zeitmaschinen, die mich in eine unbekümmerte Vergangenheit zurückversetzten, eine Zeit, bevor ich die abgerissene Hochspannungsleitung berührt hatte. Ich stieg aufs Trampolin und begann eine Sprungfolge, doch sie erinnerte mich zu sehr an meine Nummer mit Marty. Ich sprang also herunter und wandte mich einer Turnmatte zu, um dort etwas gegen meinen Kummer zu tun.
Ich begann mit dem Programm, das ich bis zur Perfektion geübt hatte, als ich dreizehn gewesen war und die Chance hatte, in die Olympiariege der Bodenturner vorzustoßen. Im Augenblick war ich zwar weder im Training, noch trug ich die richtigen Klamotten, schaffte aber trotzdem alle Übungen. Dann eine andere Sequenz und noch eine. Bald waren meine Jeans und mein T-Shirt schweißnass, aber ich dachte nicht ans Aufhören. Irgendwann war ich so verausgabt, dass ich fast die Stimme meiner Mutter hören konnte.
»Na, meine kleine Meisterturnerin? Ich bin so stolz auf dich, Schätzchen …«
»Leila!«
Die weibliche Stimme hatte ich mir nicht eingebildet. Sie kam von einem Mädchen mit erdbeerblonden Haaren am anderen Ende des Raumes.
»Hey, alle zusammen, Leila ist wieder da!«, rief Sandra in den Flur. Dann kam sie grinsend auf mich zugestürmt. »Warum hast du uns nichts gesagt?«
Ihre ehrliche Freude war Balsam für meine Seele. Hätte ich ihr damit keinen tödlichen Elektroschock verpasst, hätte ich sie bestimmt eine Stunde lang an mich gedrückt.
»Ich, äh …« Ich hatte Angst, dass ich wieder angebrüllt oder abgewiesen werde, hätte ich ehrlicherweise antworten müssen. »… wusste nicht genau, ob ihr wach seid«, sagte ich schließlich lahm.
Sandra lachte. »Vor einer Stunde habe ich noch geschlafen, aber das wäre schon okay gewesen. Wieso bist du wieder da? Hast du dich wieder mit Vlad …«
»Da ist sie ja!«, schnitt Joe ihr das Wort ab. Und ehe ich mich versah, hatte ich auch schon allen meinen alten Freunden Hallo gesagt und die für die Morgenschicht eingeteilten neuen Blutspender kennengelernt.
»Los, du musst uns alles erzählen«, bestimmte Sandra. Dann grinste sie. »Ich wollte eigentlich eh keinen Sport machen.«
Alles konnte ich ihr zwar nicht erzählen, aber ein paar Details waren schon drin. Außerdem gab es hier unten auch eine Küche, und anders als oben waren dort keine Vampire, die schlecht auf mich zu sprechen waren.
19
Nach einigen vergnüglichen Stunden mit Sandra und den anderen Sterblichen ging ich zurück nach oben. Dort verbrachte ich einige weniger vergnügliche Stunden mit Gretchen und meinem Vater, denen ich zu erklären versuchte, dass irgendein Unbekannter die Gasleitungsbombe gelegt hatte und ebendieser Unbekannte meine Familie als exzellenten Köder angesehen hätte, falls ihm – oder ihr – klar geworden wäre, dass ich überlebt habe. Mein Vater, ein Lieutenant Colonel a. D., verstand das und schien bereit, mir zu verzeihen. Ich fragte mich, ob Gretchen das je können würde.
Schließlich zog ich mich auf mein Zimmer zurück und nahm eine Dusche. Als ich sauber und angezogen war, sah ich aus dem Fenster in den dunkler werdenden Himmel und versuchte, mich nicht zu fragen, ob Vlad gerade wach wurde. Er hatte schließlich jedes Recht, wütend auf mich zu sein. Egal, wie kühl er unsere Beziehung beendet hatte und wie schwer es mir fiel, in seiner Nähe zu sein, schuldete ich ihm doch noch eine Entschuldigung, weil ich geglaubt hatte, er würde hinter dem Bombenanschlag auf mich stecken. Wenn ich ihn das nächste Mal sah, würde ich das nachholen.
Bis dahin lenkte ich mich ab, indem ich mich fragte, wie es Maximus wohl gerade ging. Die Angestellten wollte ich nicht fragen, und Vlad würde wohl im wahrsten Sinne des Wortes explodieren, wenn ich mich bei ihm erkundigte. Es gab jedoch noch eine andere Möglichkeit herauszufinden, ob es Maximus besser ging.
Ich fuhr mir mit der rechten Hand über die Haut, um die Essenzspur zu finden, die Maximus dort hinterlassen hatte. Dann konzentrierte ich mich darauf, bis das Blaue Gemach verschwand und völlige Finsternis mich umgab. Einen Augenblick lang war ich verwirrt. Dann sah ich ein grünes Leuchten und hörte Vlads Stimme.
»… mein Wunsch war es nicht. Ich würde dich lieber umbringen.«
Ein schwerer Seufzer. »Und warum tust du es dann nicht?«
Maximus’ Stimme. Ich konnte ihn noch immer nicht sehen, doch zu meiner
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