Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
himmelhohen Türmen Wacht. Die ganze Limousine hätte durch das dreieinhalb Meter hohe und vier Meter fünfzig breite Eingangstor mit seinen antik wirkenden Türklopfern in Drachenform gepasst, die eigentlich gar nicht gebraucht wurden. Kaum hielt der Wagen an, schwangen die Torflügel weit auf, und links und rechts davon tauchten Wächter auf.
Gerade staunte ich darüber, wie grün die Bäume geworden waren, als ein zierliches Mädchen mit schulterlangem schwarzen Haar aus dem Haus geschossen kam.
»Gretchen«, sagte ich, gleichermaßen überrascht wie erfreut, meine Schwester zu sehen. »Was machst du hie…?«
Eine schallende Ohrfeige schnitt mir das Wort ab. Ich starrte Gretchen mit offenem Mund an und rieb mir die Stelle, an der sie mich getroffen hatte.
»Wie konntest du nur?«, rief sie. »Du hast uns glauben lassen, du wärst tot ! Dad und ich haben schon deine verdammte Beerdigung arrangiert, als er«, eine wilde Geste in Richtung Vlad, »aufgetaucht ist und gesagt hast, du wärst am Leben, und wir müssten zu unserer eigenen Sicherheit mit ihm kommen! Dann rufst du nicht ein mal an, und keiner sagt uns was, bis es vor zehn Minuten heißt, du kommst gleich!«
»Dad ist auch hier?«
»Ja, bin ich«, erklang eine stahlharte Stimme hinter Gretchen.
Ich schluckte schwer und hatte plötzlich das Gefühl, in der Zeit zurückversetzt und wieder ein Kind zu sein, das seine Strafe erwartet. Ein schlanker Mann mit grau meliertem Haar erschien in der Tür, aufrecht, obwohl er sich stärker auf seinen Gehstock stützte als bei unserem letzten Zusammentreffen.
»Du hast Wort gehalten«, sagte mein Vater, aber er sah nicht mich an. Sein Blick ging zu Vlad.
»Ich halte immer mein Wort«, antwortete der Angesprochene, bevor er an meinem Vater vorbei in die große Eingangshalle ging.
»Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«, wollte Gretchen von mir wissen, was meine Aufmerksamkeit wieder auf sie lenkte.
Ich machte den Mund auf … und nichts kam heraus. Was konnte ich auch sagen? Ich hatte ihnen verschwiegen, dass ich noch lebte, weil ich fürchtete, Vlad würde sie als Faustpfand benutzen, falls er hinter dem Bombenanschlag steckte. Damals hatte das plausibel geklungen, ließ sich heute aber getrost ausschließen, da Vlad sie schnellstmöglich in Sicherheit gebracht hatte.
Mein schlechtes Gewissen traf mich härter als gerade noch die Ohrfeige meiner Schwester. Nicht nur meine Familie hatte ich glauben lassen, ich wäre tot, auch Vlad. Und während ich mit Maximus durchgebrannt war und an ihm gezweifelt hatte, hatte er meine Familie in Sicherheit gebracht und mich gesucht.
Das Wort Entschuldigung wurde der Situation nicht einmal annähernd gerecht.
»Ich wollte euch nicht wehtun«, sagte ich, und es klang so unpassend, wie es war.
Gretchen schenkte mir einen vernichtenden Blick. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte davon. Augenblicke später schlug eine Tür zu.
Ich blieb mit meinem Vater und den beiden Vampiren zurück, die mit ausdruckslosen Gesichtern weiter die Türflügel aufhielten. Hugh Dalton warf mir einen langen, wortlosen Blick zu und seufzte dann.
»Vlad meinte, du hättest uns durch deine Täuschung schützen wollen. Stimmt das?«
»Ja.« In meiner Kehle formte sich ein Kloß. Er wusste auch, warum ich es getan hatte . Meine Beschämung hätte größer nicht sein können.
»Tja.« Mein Vater schenkte mir ein kühles Lächeln. »Ich würde noch mehr sagen, aber ich denke, durch Gretchens Ohrfeige erübrigt sich das. Denk nächstes Mal besser nach, ja?«
Ich schluckte schwer, weil ich so vieles bereute, dass ich gar nicht wusste, wo ich mit den Selbstvorwürfen anfangen sollte.
»Mach ich.«
Ein Vampir namens Oscar eskortierte mich zu genau dem Zimmer, das ich vor meiner Trennung von Vlad bewohnt hatte. Es lag im ersten Stock, ganze zwei Etagen unter Vlads Suite. Das Bett mit dem Spitzenhimmel, der Marmorkamin, der riesige antike Kleiderschrank und die indigoblauen Wände hätten eigentlich kein deprimierender Anblick sein sollen, waren es aber. Einige Monate zuvor hatte ich den Raum das Blaue Gemach getauft, weil es in dieser Farbe gestrichen war und mir in einer Vision eine weinende junge Frau erschienen war, die vor mir hier gewohnt und offensichtlich den Blues gehabt hatte. Ihre Beziehungsprobleme hatten sich am Ende in Wohlgefallen aufgelöst, wie ich feststellen durfte, als ich später sie und ihren Mann kennenlernte. Meine eigene Lage war aussichtslos.
Laut
Weitere Kostenlose Bücher