Im Feuer der Nacht
mit den Familien der Opfer. Und das ist Shine schließlich für Mickey, Iain, Diana und Jon. Mehr erfahren sie nicht von mir.“
Talin fühlte sich ein wenig besser. „Was Sie uns heute mitteilen wollen…“
„Ist Verschlusssache.“ Max sah sich in der Bar um. „Hier gibt’s viele scharfe Gestaltwandlerohren.“
Clay schüttelte den Kopf. „Niemand kann uns hören. In den Bänken sind Lautsprecher eingebaut, die auf einer niedrigen Frequenz senden und sämtliche anderen Geräusche unterdrücken. Wir hören, was draußen geschieht, werden aber nicht gehört.“
„Beeindruckend.“ Max hob eine Augenbraue. „Können Sie die Frequenz wahrnehmen?“
Das hätte Talin auch gerne gewusst. Als Kind hatten ihr Clays Fähigkeiten Spaß gemacht, er hatte sich sogar in einen Leoparden verwandelt, nur damit sie ihn streicheln konnte– jetzt kam ihr das fast unglaublich vor. Ob sie wohl jemals wieder eine Gelegenheit dazu bekam? Sofort flammte die schlummernde Begierde in ihr wieder auf, sinnlich, aber auch mit tiefen Gefühlen verbunden. Es scherte sie nicht, wie egoistisch dieses Bedürfnis war– sie wollte ihren Clay von damals zurückhaben.
„Nein“, antwortete er. „Die Frequenz liegt unterhalb unserer Hörgrenze, aber es funktioniert trotzdem. Darum hat sich auch niemand umgedreht, als du mich angeschrien hast.“ Der letzte Satz war an Talin gerichtet.
„Darüber habe ich mich auch schon gewundert.“ In seinen Augen schwelte immer noch Zorn– er hatte ihre Provokation nicht vergessen, und so verrückt es auch war, sie war froh darüber. Es war immer noch besser, Ziel seiner Wut zu sein, als einfach übersehen zu werden.
Clay sah wieder weg, doch sein Arm rieb an ihrem Ellenbogen. Er nickte Max zu. „Was ist mit Talins Wohnung?“
„Das Blut– tut mir leid, Talin. Es war von Mickey.“
Talin wurde übel, aber Clays Hand legte sich auf ihren Oberschenkel. Er drückte fest genug zu, um die Übelkeit zu vertreiben, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf seinen warmen, kräftigen Griff. Ihre Gefühle für ihn wurden noch stärker, und sie legte die Hand auf seine Finger. Er war viel wärmer als sie, die Kälte schwand aus ihren Knochen.
„Erzählen Sie weiter“, sagte Clay zu Max. „Tally wird schon damit fertig.“
Max sah sie an. Die grauenhaften Dinge hatten das Leuchten aus seinen Augen vertrieben. „Stimmt das? Es wird ziemlich schlimm werden.“
Ihre Finger schlossen sich fest um Clays Hand. Ohne etwas zu sagen, zog er die Hand fort und legte ihr den Arm um die Schultern. Nie hatte sie einem Mann diese einfache Geste gestattet. Sie hätte sich wie eine Gefangene gefühlt… auch wenn kein anderer in der Lage gewesen war, ihren Nacken mit einer einzigen Bewegung zu brechen. Aber in diesem Augenblick gewann die Erinnerung an die Sicherheit, die sie stets bei Clay empfunden hatte, die Oberhand über zerreißendes Fleisch und die schrillen Schreie einer Bestie. Sie atmete seinen Geruch ein, nahm ihn mit jeder Zelle ihres Körpers in sich auf. „Ich bin bereit.“
Max fragte nicht noch einmal nach. „Weiter haben wir nichts in Ihrer Wohnung gefunden. Die anderen Beweise stammen von den Kindern selbst.“ Er zögerte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, ehe er fortfuhr. „Bevor wir Iain und Diana gefunden haben, war das einzige offensichtliche Muster ein dreiwöchiger Abstand zwischen den Morden.“
„Sie vermuten, das wirkliche Muster ist ein anderes?“, fragte Clay.
„Ich bin nicht sicher, ob wir schon alle Opfer gefunden haben“, sagte Max. „Dass wir die Leichen von Mickey, Iain und Diana so schnell hintereinander– innerhalb von zwei Wochen– entdeckt haben, spricht für diese Annahme.“
„Ergibt sich ein Muster anhand der Fundorte?“, fragte Clay mit seinem Raubtierverstand, seine tiefe Stimme vibrierte in Talins Knochen, tat ihr wohl und war gleichzeitig eine Warnung, dass er noch etwas anderes für sie sein konnte, dass er genauso tödlich wie schön war.
„Nein“, antwortete Max. „Ich bin nur hier, weil die letzten Leichen in San Francisco aufgetaucht sind. Diana wurde in New York entführt, aber man hat sowohl Iain als auch sie hier gefunden. Von Ihren New Yorker Schützlingen war sie die Letzte, die entführt wurde, nicht wahr, Talin?“
„Ja, erst haben sie Mickey geholt.“ Mein Gott, es tat so weh, an die blutenden und zerschlagenen Körper ihrer Kinder zu denken. „Eigentlich brauchte Diana keine Betreuung mehr, seit sie im Internat angenommen worden
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