Im Feuer der Nacht
ungefähr zwanzig Jahre alt sein mochte, auf die Straße trat. Sie ließ die Tür einen Spaltbreit offen stehen und eilte direkt in Richtung Kneipe.
Mit den Händen auf den Hüften blieb sie im Türrahmen stehen. »Hallo ... Maida! Sei so gut, gib mir fünf Halbe!«
Die Kellnerin namens Maida zog den Kopf zwischen die Schultern und verschwand im hinteren Bereich. Ein paar Minuten später kehrte sie mit fünf randvollen Halbliter-Krügen auf einem Holztablett zurück.
»Danke.« Die Brünette übernahm das Tablett. »Schreib’s auf unseren Zettel. Arnold kommt später vorbei und zahlt.«
Wieder senkte Maida den Kopf. Sie stand im Türbogen und wischte sich die Hände an einem Lappen ab, während sie beobachtete, wie die Brünette die schmale Straße überquerte und durch die grüne Tür ins Haus trat, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
»Da drüben ist wohl gerade der Teufel los?«, murmelte Griselda.
Maida schnitt eine Grimasse. »Kann man wohl sagen.« Sie ließ den Blick zur grünen Tür schweifen. »Ich frag mich nur, wie viel sie heute Vormittag wohl da drinnen hatten«, erklärte sie und musterte Griselda. »Freier, meine ich.«
Griselda runzelte die Stirn. »So läuft es nun mal, nicht wahr?«
»Aye.« Maida stellte ihre Last ab. Offenbar hatte sie Lust auf ein kleines Schwätzchen. »Drei sind drin. Also, drei Mädchen. Der arme alte Arnold, dachte ich erst, als er mir erzählte, dass er seine Nichten bei sich aufgenommen hat, na, der hat mir vielleicht einen ordentlichen Bären aufgebunden. Aber ich habe gehört, wie sie mit ihm gestritten haben. Muss sich wohl doch um Verwandtschaft handeln. Der arme alte Knacker. Kann sich glücklich schätzen, wenn sie ihm Miete zahlen. Aber die Mädchen sind in Ordnung, gute Nachbarn, alles in allem.«
»Und was ist mit den Neffen?«, fragte Stokes und ließ es wie pure Neugier klingen. Immerhin gehörte es im East End zum guten Ton, sich über alle möglichen Gesetzesverstöße zu unterhalten.
»Nah.« Maida trat verlegen auf das andere Bein. »Es sind eher die feinen Herrschaften, die auf solche Sachen scharf sind. Aber unsere Gegend ist zu weit von ihren Spielplätzen entfernt. Nicht dass Arnold nicht gern ein paar Männer im Hause hätte, um ihm die Last von den Schultern zu nehmen. Diese Mädchen halten ihn die meiste Zeit im Haus gefangen. Mag sein, dass er schon alt ist. Aber er ist auch ein echter Koloss. Ein guter Schutz. Und falls er wirklich ihr Onkel ist, was kann er tun? Sie haben ihn schlicht ans Haus gefesselt, kein Zweifel, das haben die Mädchen getan.«
Griselda verzog das Gesicht, als würde sie sich erinnern. »Mein alter Dad hatte früher mal einen Arnold gekannt, hier in der Gegend. Hat hin und wieder als Hehler gearbeitet. Wie war doch sein Name?« Sie starrte Stokes an, schien auf eine Eingebung zu warten, als ihre Miene sich plötzlich aufhellte und sie den Blick wieder auf Maida richtete. »Ormsby. So hieß er. Arnold Ormsby.«
»Hornby«, korrigierte das Mädchen. »Aye, das ist unser Arnold. Ja, früher hat er tatsächlich mal seine Finger im Spiel gehabt, was das betrifft. Aber jetzt nicht mehr. Schafft es kaum noch aus dem Haus und wenn, dann höchstens noch bis hierher. Lamentiert über die alten Zeiten, aber jetzt hat er sämtliche Bekanntschaften verloren, und wie soll der Mann dann zurechtkommen?« Sie zuckte die Schultern. »Kann auf nichts mehr hoffen, es sei denn, seine Nichten verschwinden. Scheint so, als würden sie seine gesamte Zeit rauben.«
Und das war nach Stokes’ Auffassung alles, was sie von Maida erfahren würden. Er fing Griseldas Blick auf. »Wir sollten uns wieder auf den Weg machen.«
Sie nickte. Er stand auf, wartete, dass sie sich ebenfalls erhob, und ließ ein paar Münzen auf den Tisch klimpern. »Vielen Dank, meine Liebe. Die Suppe war sehr gut«, bemerkte er und schnippte Maida einen Sixpence zu.
Maida bewegte sich flink wie ein Wiesel und fing die Münze in der Luft. Sie grinste, als die beiden an ihr vorbei zur Tür gingen. »Aye, in Ordnung. Kommen Sie bald mal wieder vorbei.«
Griselda lächelte und winkte.
Stokes schnappte sie am Arm und zerrte sie entschlossen zurück in Richtung Stadt und in die ihm vertraute Zivilisation. Hoffentlich auf Nimmerwiedersehen, echote es ihm unablässig durch den Kopf.
Penelope lungerte in Lady Carnegies Empfangssalon herum und gab vor, den politischen Debatten in ihrer Nähe zu lauschen. Das November-Dinner Ihrer Ladyschaft galt in politischen Kreisen
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