Im Feuer der Nacht
Barnaby verspürte beide Impulse stark in sich. Um Penelopes und um der Jungen willen mussten sie gerettet werden, und weil er Stokes und der Polizei im Allgemeinen helfen wollte, musste er Alerts Pläne unbedingt durchkreuzen. Es diente dem Wohl der Bevölkerung; zum ersten Mal konnte er erkennen, dass er sich in den Dienst des allgemeinen Interesses stellte, konnte viel besser verstehen, was seinen Vater getrieben hatte, den gesellschaftlichen und politischen Angelegenheiten so viel Zeit zu widmen. Jahrelang war er überzeugt gewesen, dass der Mann nur den geselligen Ambitionen seiner Mutter hatte entfliehen wollen.
»Kommen Sie, ich werde Sie nach Hause bringen«, meinte Barnaby zu Penelope und ließ den Blick durch die Runde schweifen, »im Moment können wir nichts tun. Aber sobald irgendwer irgendetwas erfährt ...«
Stokes erhob sich mit ihm. »... werden wir ins Horn blasen.«
Obwohl Penelope innerlich im Aufruhr war, zog sie sich am selben Abend pflichtbewusst ihr bestes Winter-Abendkleid an - aus streng geschnittener, schwerer Seide in dunklem Granatrot - und begleitete ihre Mutter zum Dinner bei Lord Montford.
Seine Lordschaft lebte zurückgezogen und galt als ausgesprochener Philanthrop. Er hatte Interesse am Findelhaus bekundet, drängte darauf, sich eingehender mit ihr und ihrer Mutter zu unterhalten, und hatte hauptsächlich aus diesem Grund zum Dinner geladen.
Nachdem man Penelope in die Wohnung Seiner Lordschaft in der Nähe des Piccadilly geführt und ihre Ankunft angekündigt hatte, wurde sie gleich von Lord Montford begrüßt, einem rundlichen Gentleman mit strahlend guter Laune. Penelope mochte ihn auf Anhieb und antwortete aufmerksam auf seine Erkundigungen nach ihrer Gesundheit.
Nachdem er ihre Mutter begrüßt hatte, begleitete Lord Montford die beiden in sein Empfangszimmer. »Ich vermute, dass Sie mit den anderen Gästen bekannt sind.«
Sein zwinkernder Blick mahnte sie den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie Barnaby erblickte, der sich mit seinen langen Beinen vom Stuhl erhob. Sonst waren nur noch Lord und Lady Hancock anwesend, die Penelope und ihrer Mutter gut bekannt waren.
Es überraschte Penelope nicht, als die älteren vier sich zurückzogen, um über die Kinder, die Enkel und die Jagd zu plaudern, und es Barnaby und ihr allein überließen, sich zu unterhalten. »Kennst du Seine Lordschaft schon lange?«, begann sie leise.
Barnaby lächelte. »Er ist ein alter Freund meines Vaters.« Er senkte den Blick auf sie. »Bist du oft in solchen Angelegenheiten unterwegs? Ich meine, kümmerst du dich oft um Geldgeber und suchst nach neuen Quellen?«, erwiderte er im Flüsterton.
»Gewöhnlich nicht. Meistens kümmert Portia sich darum. Sie kann sehr gut mit Menschen umgehen und, wie du es nennst, neue Quellen auftun. Aber jetzt hält sie sich auf dem Land auf und überlässt es mir, mich bei den Verabredungen blicken zu lassen, die zu dieser Jahreszeit stattfinden. Im nächsten Frühjahr wird sie in die Stadt zurückkehren und diese Aufgabe wieder übernehmen. Doch bis dahin ...«, sie breitete die Hände aus, »... musst du mit mir vorliebnehmen.«
Barnaby lächelte. »Du unterschätzt dich. Denn du kannst sehr überzeugend sein, wenn du es darauf anlegst.« Wenn sie die Leidenschaft für ihre Arbeit zu erkennen gibt...
Penelope warf einen Blick auf Lord Montford. »Hat er irgendwelche Bemerkungen fallen gelassen?«
»Gib dich einfach so, wie du bist.« Zögernd fügte er hinzu: »Er ist ziemlich scharfsinnig. Mehr, als man es ihm ansieht.«
»Damit hatte ich gerechnet.«
Barnaby und Penelope schlossen sich den anderen an, als Montfords Butler verkündete, dass das Dinner serviert sei, und gingen in das behagliche Esszimmer. Trotz der Atmosphäre, die das kostbare Mobiliar ausstrahlte, lud das Zimmer zu entspanntem und vertraulichem Beisammensein ein, sodass die Gespräche von Beginn an ungehindert flossen.
Penelope saß Lord Montford zur Rechten und hatte Barnaby an der anderen Seite. Lady Hancock saß Montford zur Linken, während Penelopes Mutter am Ende des Tisches dem Gastgeber gegenüber platziert war, mit Lord Hancock zwischen den beiden Ladys. Die Hancocks zählten bereits zu den Spendern für das Findelhaus; bald waren die beiden mit Lady Calverton in andere Themen vertieft - was Lord Montford die Gelegenheit verschaffte, Penelope über das Findelhaus zu befragen.
Barnaby lehnte sich zurück und beobachtete, wie sie mit Montford verhandelte. Sie vermied es, seine
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