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Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Grießbach
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sich um Rothaar. Die Frauen erzogen sie, gaben essen und trinken und sagten ihr, was sie zu tun hatte. Liebe, Wärme und Nähe bekam sie dabei kaum.
    Traurig schaute Rothaar Kurznase hinterher und blieb allein zurück. Sie wurde oft von den anderen gemieden und fühlte sich einsam. Sie wollte sich ein wenig mit dem Opfer im Käfig beschäftigen, es vielleicht mit einem Stock ärgern, aber dann verließ sie die Lust so schnell, wie sie gekommen war und sie döste ein. Sie erwachte, als Großbrust, Lockenhaar, Kurze und Langnase ein weiteres Opfer in die Höhle trugen.
    ‚Oh, noch mehr Beute‘, dachte Rothaar und freute sich, keuchte dann aber überrascht auf, als sie bemerkte, um wen es sich dabei handelte. Ein Mädchen, gefesselt und mit einem Knebel vor dem Mund, wurde in die Höhle gezogen und gezerrt. Unsanft landete es auf Fellen auf dem Boden. Es besaß dunkles Haar und Rothaar glaubte, das Mädchen vom Vortag zu erkennen, das mit dem Mann und der Frau am Rand der Siedlung entlang gelaufen war.
    Rothaar betrachtete das Mädchen, es schien nicht bei sich zu sein und rührte sich nicht. Nach einer Weile wurde es ihr langweilig, sie ging zu Großbrust und setzte sich neben sie. „Mann und Mädchen bleiben?“, fragte sie.
    Großbrust nickte, doch Rothaar war sich nicht sicher, ob sie sie verstand. Sie versuchte es erneut: „Mann und Mädchen bleiben bei uns hier?“, sie zeigte auf alle und schloss die Höhle mit ein. Jetzt schüttelte Großbrust den Kopf und Rothaar gab es auf. Sie würde vielleicht bei Gelegenheit Erste oder Zweite fragen, oder sie wartete einfach ab, was weiter mit dem Mann und dem Mädchen geschah.
    Eine Zeitlang später wurden noch ein Mann und eine Frau in die Höhle geschleppt. Die Frau hatten sie mit dem Netz gefangen.
    Rothaar staunte, so viele Fremde hatte sie noch nie auf einmal aus der Nähe gesehen. Sie war sich sicher, in den beiden den Mann und die Frau vom Vortag zu erkennen, so hatte die Gemeinschaft die ganze Familie erwischt.
    Die Frau wurde aus dem Netz geholt und ebenfalls gefesselt und mit Fell geknebelt, sie rührte sich nicht, offenbar hatte sie einen Schlag auf den Kopf bekommen. Der Mann, mit einer blutigen Brustwunde, wurde auf den nackten Boden geworfen. Rothaar fand auch ihn sehr interessant und verglich ihn mit dem anderen. Er schien älter zu sein, war größer aber nicht kräftiger. Seine Augen starrten leblos ins Leere und seine Brust mit der Wunde, die nicht mehr blutete, bewegte sich nicht. Sie stellte fest, dass er nicht mehr am Leben war. Also gab es kein Vergnügen mehr mit ihm, schade. Aber sie hatten ja noch den zweiten Mann und die Frau.

 
     
    10
    Langsam kam Thomas zu sich, sein Kopf schmerzte und er lag auf etwas Hartem. Die Luft atmete sich schwer, es stank ... muffig nach Urin, Fäulnis und Schweiß. Er konnte nichts sehen, war es Nacht? Dann bemerkte er über sich ein schwaches Licht, das sich durch Felsgestein zwängte. Fels? Wieso Fels?
    Als Thomas versuchte, sich aufzusetzen, spürte er die gefesselten Hände und Füße. Im Dämmerlicht sah er groben Strick um seine Handgelenke, der aussah, wie aus Pflanzenfasern selbstgemacht. Er lag in einer Art Käfig aus Holzstangen oder abgeschälten Ästen, der einen halben Meter über dem Boden leicht hin und her schwang. Er war schmal und gerade so lang, dass er ausgestreckt darin liegen konnte. Ein ähnlich primitiver, aber dickerer Strick führte vom Käfig nach oben zu einem Felsvorsprung.
    Alles tat Thomas weh, mühsam betastete er mit den zusammengebundenen Händen die Beule am Kopf und fühlte verkrustetes Blut. „Ah ...“, entfuhr es ihm, als ein Stechen sein Hirn durchzuckte. Mit zusammengebissenen Zähnen setzte er sich auf und schaute sich um. Die Gitterstäbe standen weit genug auseinander, dass er hindurchsehen konnte, aber wo er sich befand, konnte er nicht erfassen. Da er Fels sehen konnte und von oben Licht durch eine Spalte sickerte, musste er sich in einer Höhle befinden.
    Ein kleines Mädchen, es konnte höchstens fünf Jahre alt sein, mit langem, unglaublich verfilztem Haar, kam zum Käfig und schaute ihn an. Fellstücke bekleideten nur unvollständig den mageren Körper. In der rechten Hand hielt die Kleine ein langes, schartiges Messer mit Rostflecken.
    Thomas blickte sie an wie eine Erscheinung. Im Hintergrund bemerkte er weitere Personen. Er begriff nicht, was passiert war und wie er in diese Lage geraten konnte, noch weniger, wo er sich befand. Was waren das für Leute?

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