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Im finsteren Wald

Im finsteren Wald

Titel: Im finsteren Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Grießbach
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nicht so weit gehen, dass jemand verletzt wurde, sonst würde ja ständig der Sender verklagt werden! Die Frau mit dem Messer wandte sich von ihm ab und wollte zurück zu den anderen gehen.
    „Warten Sie!“, rief Thomas. „Gehen Sie nicht. Wie heißen Sie? Was ist das hier?“
    Die Frau reagierte nicht und ging zu der Gruppe, in die nun Unruhe kam. Sie schauten alle in eine Richtung. Von dort kam Scharren, schweres Atmen und Getrappel. Vier Frauen kamen herein, sie trugen ein Mädchen mit sich, das anscheinend bewusstlos war. Fellstreifen verschlossen den Mund, Hände und Füße waren wie bei ihm gefesselt. Das Mädchen mit dunklem Pferdeschwanz in Jeans, Turnschuhen und Jacke sah etwa aus wie dreizehn oder vierzehn.
    „Hallo?“, rief Thomas noch einmal lauter und erschauerte. Er hoffte, nicht erneut das Messer spüren zu müssen. „Was haben Sie mit dem Mädchen vor? Und mit mir?“
    Niemand reagierte. Der Teenager wurden beinahe achtlos auf Felle geworfen, dann bereitete die Gruppe Essen zu. An einer Wand flackerte ein kleines Feuer, der Rauch zog direkt nach oben und ins freie. Thomas konnte nicht viel von dem erkennen, was die Frauen taten. Sie rührten etwas in Holzschüsseln an, Fleischstreifen, die an Trockenfleisch erinnerten, wurden zerkleinert, Wasser in ausgehöhlten Kürbissen oder Holzschalen gegossen und verteilt. Alle hockten sich irgendwo am Boden hin und verzehrten schmatzend die Speise. Dabei redete die Gruppe kaum, nur einzelne Wörter wurden gewechselt, kehlig genuschelt, Thomas verstand kein Wort.
    Zu essen bekam er nichts. Auch das Mädchen, das inzwischen wach geworden war und weinte, bekam nichts. Als er fragte, ob sie auch etwas zu essen bekommen könnten, erhielt er ein Stück Holz zielsicher durch die Gitterstäbe an den Kopf geworfen. Das hieß wohl nein.
    Die Frauen sprachen sich in abgehackten Sätzen miteinander ab, die Thomas nicht verstand und machten Gesten, die er nicht deuten konnte. Zogen sie vor ihm eine Show ab? War das hier ein Spiel? Oder so etwas wie Big Brother? Er glaubte nicht daran. Es war bitterer Ernst. So richtig konnte er es sich nicht vorstellen, aber wenn er die Fakten nahm, gab es hier eine – wahrscheinlich – unbekannte Höhle, in der eine Gruppe verwilderter Frauen lebte, die ihn gefangen genommen hatten und nun auch noch ein Mädchen in ihrer Gewalt hatten.
    Es sah schlecht aus, er würde sich selbst helfen müssen. Dazu musste er Arme und Beine freibekommen und dann aus diesem Käfig heraus.
    Die Vier, die zuletzt gekommen waren, verschwanden wieder nach draußen. Thomas wandte sich noch einmal zu den Übrigen, die in der Dämmerung der Höhle hantierten: „Hallo? Helfen Sie uns doch! Warum sind wir gefangen, was haben Sie mit uns vor?“
    Keine antwortete oder beachtete ihn. Das Mädchen schaute aus tränenverschleierten Augen zu ihm, doch er konnte ihr nicht helfen, noch nicht.
    „Hey, halte durch, alles wird gut, okay?“, sprach er halblaut zu Weinenden, er wollte ihr Mut machen. „Ich habe keine Ahnung, was hier läuft, aber vielleicht ist es ein Irrtum oder eine Verwechslung? Wir kommen hier schon raus!“
    Stunden später, Thomas hatte vergeblich versucht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, kamen die Frauen zurück und trugen einen Mann und eine Frau herein. Es musste auf den Abend zugehen, das von oben durch einen Felsspalt einfallende Licht wurde schwächer. Die Frau war in eine Art Netz gewickelt, der Mann hatte eine tiefe Wunde auf der Brust, welche durch die zerfetzte Kleidung hindurch zu sehen war. Sie blutete nicht mehr und Thomas nahm an, dass der Mann tot war.
    Seine Mitgefangene, die sich in den Fesseln kaum bewegen konnte, hatte bis jetzt beinahe still vor sich hingeweint. Durch die Knebel fiel es ihr schwer, genug Luft zu bekommen, da die Nase vom Heulen voller Rotz war. Thomas fragte sich, warum er nicht geknebelt worden war; vielleicht hatte man es nur vergessen. Als das Mädchen bemerkte, wie der Mann und die Frau hereingetragen wurden, fing sie an, lauter zu weinen und versuchte unter dem Knebel zu schreien, sie wandte sich wie ein riesiger Wurm hin und her und gebärdete sich wie toll. Thomas erkannte sofort, dass es sich um die Eltern handeln musste. Er fand es ungewöhnlich und seltsam, dass zuerst die Tochter und dann, Stunden später, die Eltern geschnappt worden waren. Und warum? Was hatten die seltsamen Amazonen, die auf ihn wie Wilde wirkten, mit ihm und der Familie vor?
    Eine Frau gab den beiden immer wieder Tritte,

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