Im finsteren Wald
hieß und mit Sieglind befreundet war. „Wir müssen uns hier ein Versteck suchen, wo wir eine Weile bleiben können. Dann sehen wir weiter. Wenn wir etwas zu essen finden und Wasser, vielleicht ein Tier jagen ...“, überlegte er.
„Ach Hartmut“, sprach Sieglind traurig. „Was hast du dir nur bei deinem Tun gedacht? Nun bist du ausgestoßen wie wir. Du hast dich strafbar gemacht und kannst nicht mehr zurück, sonst hängst du am Galgen. Jetzt sind wir alle Aussätzige! Was soll nur aus uns werden?“
„Ich musste es tun, ich konnte dich doch nicht auf dem Scheiterhaufen brennen lassen, Sieglind! Und die anderen auch nicht, ihr seid keine Hexen.“
Sie gingen weiter, von Verfolgern war nichts zu sehen oder zu hören. Die Bäume standen locker, doch Unterholz, Sträucher und Büsche versperrten die Sicht. Zwei Elstern stritten sich, hoch oben auf einem Ast sitzend. Langsam stieg das Gelände an. Einzelne Felsen ragten aus dem Boden empor. Der alte Berg lag vor ihnen. Die kleine Erhebung war nur vom Hörensagen bekannt, sie und die anderen Dorfbewohner hatten sich noch nie so weit in den Wald hinein gewagt. Einige Mädchen hatten wunde Füße, erschöpft waren alle. Sie mussten erneut rasten.
Die scheue Elsa sagte: „Vielleicht können wir in einem anderen Dorf unterkommen, wir sollten aus dem Wald heraus, im Wald lauert der Teufel.“ Sie schaute sich ängstlich um. „Er wird uns holen!“
„Das sind doch nur Gerüchte“, sagte Hartmut laut und mit fester, ruhiger Stimme. „Märchen und Legenden, so wahr, wie ihr Hexen seid. Es gibt keine Hölle, keinen Teufel, keine Monster.“
„Es waren aus allen Dörfern der Gegend Leute da, um uns brennen zu sehen. Ich glaube, unsere Flucht hat sich herumgesprochen und egal, wo wir hingehen, man wird in uns immer die entflohenen Hexen sehen“, sagte Nele.
„Wir haben keine Zukunft, wir können nirgendwo hin“, kam eine leise Mädchenstimme.
Eins der Mädchen, sie hieß Gundel, funkelte Hartmut böse an. Sie hielt sich nur mit Mühe aufrecht, ihre Füße bluteten und das pechschwarze Haar hing ihr zerzaust vom Kopf, Kratzer und blutige Striemen bedeckten jeden Flecken ihrer freien Haut. „Ihr Männer seid doch an allem schuld! Ihr führt Kriege, ihr erklärt Frauen zu Hexen und verbrennt sie! Ihr begeht Verbrechen und habt die Gewalt in euch! Ihr brandschatzt, vergewaltigt und mordet, ohne Männer wäre diese Welt eine bessere! In die Männerwelt können wir nicht zurück, das steht fest! Wenn wir länger hierbleiben und überleben wollen, sollten wir einen Anführer wählen, eine Anführerin, denn es muss eine Frau sein!“
Sie sah sich um Bestätigung heischend um, doch die anderen waren zu erschöpft. Keine antwortete ihr und Hartmut sah zu Boden.
„Hier ist ein Loch in der Erde neben dem Felsen“, sagte ein anderes Mädchen. „Schwarz wie der Höllenschlund. Es scheint tief hinein zu gehen.“
„Es gibt keinen Höllenschlund, da hat Hartmut recht“, wies sie Sieglind zurecht. „Vielleicht eine Höhle?“
„Ich weiß von keiner Höhle in der Gegend“, entgegnete Hartmut und schaute sich das Loch genauer an. Als er Erde wegscharrte, konnte er bequem hinein kriechen, ein Gang führte abwärts, der sich schnell verbreiterte. Dämmerlicht herrschte hier unten, doch er kam gut voran, konnte nach wenigen Metern bereits gebückt gehen und immer noch wurde der Gang breiter und höher. Hartmut überlegte. Eine Höhle für sie alle wäre optimal, böte Schutz vor dem Wetter, Schutz vor Entdeckung und gäbe ein Gefühl der Geborgenheit, ein Dach über dem Kopf, ja, das konnten sie gut gebrauchen. Und tatsächlich erreichte er mehrere Hohlräume von einigen Metern Durchmesser und einen Saal, in dem sie als Gruppe genug Platz hätten. Richtig dunkel wurde es nicht, ein Spalt an der Decke reichte bis nach unten und ließ Tageslicht hinein.
Hartmut glaubte nicht, dass irgendjemand diese Höhlen kannte, der Wald wurde kaum betreten und der Berg war nur durch Erzählungen bekannt, kein Mensch, den er vom Dorf kannte, war jemals hier gewesen. Sie hatten ein Versteck gefunden, das sich seiner Meinung nach mehr als fünfzehn Meter unter dem Fuße des alten Berges befand und dass sie sogar mit Wasser versorgte. In einer Kammer gab es ein Rinnsal an der Wand mit trinkbarem Wasser. Sie hatten einen Unterschlupf gefunden. Sie hatten das große Messer und seinen Jagddolch, sie würden lernen, Tiere zu jagen, Beeren, Früchte und Pilze sammeln, sie würden
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