Im Fischernetz (German Edition)
dass Alvar den weitaus gefährlicheren Teil ihres Plans ausführte – an ihm war es, ob ihre kleine Zuflucht endgültig entdeckt wurde oder nicht. Er biss sich auf die Lippen, unterdrückte den Drang, zu fluchen, und eilte zu den Felsen am Strand hinunter. Zwischen den Steinen legte er seine Kleider ab und stieg ins Wasser, begann zu schwimmen, als es tief wurde. Das Wasser griff nach ihm, flüsterte schmeichelnd, rief seinen Namen, und er ergab sich ihm. Für einen Augenblick war er nichts als Instinkt, der Jäger, der Räuber, der...
Ein Bild huschte durch seine Erinnerungen, blitzende blaue Augen, flammenfarbenes Haar. Ein Name. Alvar. Die Erinnerung war stärker als der Instinkt. Sayain schwamm, mit kräftigen Flossenschlägen erreichte er die Wasseroberfläche und ließ sich dicht darunter treiben. Vor sich in der Bucht sah er den Rumpf des Schiffes. In feinsten Schwingungen trug das Wasser jeden Schritt zu ihm, den die Menschen auf dem Schiff gingen, trug ein Echo jedes Wortes zu ihm, das sie riefen. Sayain konnte nur warten. Seine Stunde würde kommen, wenn er das leise Kräuseln spürte, das die Ruder des Beiboots im Wasser verursachten. Noch nicht einmal an Land spähen konnte er, denn seine Raubfischaugen sahen nur in der tiefblauen Welt unter Wasser hervorragend, doch nicht außerhalb des Meeres. Er wartete.
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Alvar hatte sich hinter einer Mauer am Waldrand verborgen und kauerte sich tief in sein Versteck, als der helle Pfiff zum dritten Mal die Luft durchschnitt. Er hörte Schritte, Männer sprachen, jemand schluchzte, jemand fluchte. Es dauerte nicht lange, und vom Strand her kamen weitere Schritte, Laub raschelte, Sand knirschte. Wind kam auf, Wolken schoben sich wie Schleier vor Mond und Sterne. Wenn die Wolken den Mond zu sehr verdunkelten, würde er nicht mehr viel sehen können – aber er hätte es auch leichter, sich zu verbergen. Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtet er, wie Galdurs Männer sich der Gruppe am Waldrand näherten. Ketten klirrten leise.
Alvar tastete nach seinem Halsreifen. Wenn das alles hier vorüber war, mussten sie eine Möglichkeit finden, ihm diesen Reifen abzunehmen. Er wollte nicht bis an das Ende seines Lebens wie ein entlaufener Sklave aussehen.
In die Gruppe am Waldrand kam Leben, als Galdurs Männer aus den Schatten auftauchten. Alvar erkannte Ulf, den hochgewachsenen , grobschlächtigen Sverre, und den kleinen, flinken Gerwulf, der ihm hin und wieder einen Brotkanten zugesteckt hatte. Und dann trat Galdur selbst in den Schein der kleinen Laterne, um die Ware zu begutachten. Alvar blieb reglos sitzen und beobachtete.
Einer der Männer, die die Sklaven gebracht hatten, entzündete eine weitere Lampe und leuchtete auf den zusammengewürfelten Haufen armer Seelen, die aneinandergekettet hinter ihm hergeschlurft waren. Alvar erkannte drei Männer und drei Frauen, allesamt noch recht jung. Eine der Frauen fiel Alvar besonders auf, sie stand in sich zusammengesunken am Ende der Reihe und hielt den Kopf gesenkt, so dass ihr langes schwarzes Haar das Gesicht verdeckte. Die Haut ihrer nackten Arme war sehr dunkel. Sie hatte die Hände unter ihrem Kittel verborgen und sah nicht auf, auch nicht, als Galdur sie anherrschte, er wolle ihr Gesicht sehen. Ein seltsames Gefühl beschlich Alvar. Ihm war, als läge ein Kribbeln in der Luft, wie vor einem Gewitter. Wieder erklang Galdurs bellende Stimme, und diesmal hob das Mädchen den Kopf. Im Licht der Laterne schimmerten ihre Augen in einem fast durchscheinenden Weiß. Ihre Lippen bewegten sich stumm, unter dem Kittel sah Alvar ihre Hände zucken. Galdur starrte sie an, Sverre schlug das Zeichen gegen den bösen Blick.
»Hexe, sie ist eine Hexe !« Alvar wusste nicht, wer geschrieen hatte. Zu viel geschah in diesem Augenblick auf einmal. Ein greller Blitz durchschnitt die Dunkelheit, und eine Frau brüllte: »Rennt !«
»Haltet sie auf !« Das war Galdur .
Die Sklaven, noch immer aneinandergekettet, doch nicht mehr in der Hand ihrer Jäger, liefen los, stolperten und rannten in Richtung der Ruinen, die Jäger und die Händler ihnen dicht auf den Fersen.
»Verdammter Höllenmist!« Ohne nachzudenken sprang Alvar auf, zu den Sklaven hin und überholte sie.
»Hier lang !«
Einen Moment zögerte der Mann, der die Reihe der Gefangenen gezwungenermaßen anführte, dann rannte er Alvar nach.
»Die Stimme kenn ich doch !« Wieder Galdur , und Alvar wünschte ihm die Pest an den Hals, während sein Herz vor Angst bebte und seine
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