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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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als die schreienden Bildüberschriften von Paparazzifotos lesen kann (BÖSER BRITENBUBE! LOCO LILO!). Sie hat die Nase voll davon, ihren Koffer als provisorischen Esstisch zu benutzen, mit dem Plastikmesser Minipackungen Streichkäse aufzustochern, die sie dann auf die teigigen, geschmacklosen Brotwaren schmiert, die in anderen Bundesstaaten als Bagel durchgehen, die Nase voll davon, sich ihr halbes Frühstück aufs Knie fallen zu lassen, den klebrigen Fleck erfolglos mit Spucke und Serviette zu entfernen zu versuchen und keine Wahl zu haben, als die schmutzige Jeans den ganzen Tag anzubehalten, beim Einsteigen, beim Abheben, Beschleunigen, Abbremsen, Landen, Aussteigen, Gepäckabholen, Automieten, Fahren, Einchecken und Auspacken – wonach sie so verflucht müde ist, dass sie sich nicht mal mehr umzieht, sondern sich bloß bis auf die Unterwäsche entkleidet, die eingesteckte Bettdecke herauszerrt, ins Bett kriecht und ihren Tag für beendet erklärt. Sie hat die Nase voll davon, sich wie eine sehr ähnliche, aber unvollkommene Fälschung ihrer selbst zu fühlen.
    Jessica spürt erneut einen Finger auf der Schulter. Es ist wieder Zebrastreifen. »Es funktioniert nur, wenn man auf die Tasten drückt«, scherzt die Frau.
    Â»Ach ja.« Jessica schaut das Handy an, das in ihrer Hand liegt. »Danke.« Sie klappt es auf und will gerade wählen, als das Display aufleuchtet. Sie hat aus Versehen vom Vibrationsalarm auf Klingelton umgeschaltet, als sie das Video von den Jungferninseln bekam. Jetzt spielt das Telefon ihren ganz persönlichen Klingelton, einen Nummer-eins-Hit in den Schlager-Charts des Jahres 1978, seitdem ständig verteufelt oder vergöttert.
    You know I can’t smile without you …
    Zwanzig Köpfe drehen sich zu ihr. Zwanzig Stimmen plappern durcheinander. Zwanzig Frauen mittleren Alters mit »Music and Passion«-T-Shirts, »COPA«-Baseball-Caps und gerahmten Tickets an Halskettchen, die an den unvergesslichsten aller Begeisterungsstürme für den Showman unserer Generation erinnern. Zwanzig Mitglieder der hiesigen Regionalgruppe des Internationalen Barry-Manilow-Fanclubs.
    Â»Noch ein Fanilow!«
    Â»Und wie jung sie ist! Ein Mini-Manilow-Maniac!«
    Â»Auf dem Weg nach Vegas!«
    Â»Die Abschiedstour!«
    Â»Sag das nicht immer. Ich halte das nicht aus!«
    Â»Ich kann es wirklich immer noch nicht fassen, dass wir tatsächlich seine allerletzte Abschiedsshow verpassen …«
    Â»Halt den Mund! Ich kriege gleich einen Nervenzusammenbruch …«
    Â»Er kommt wieder. Er ist immer wiedergekommen …«
    Jessica denkt an das Mädchen, das ihr Telefon so eingestellt hat, dass bei jedem Anruf und jeder SMS Barry Manilow zu hören ist, die Sechzehnjährige (inzwischen Achtzehnjährige, kurz vorm Highschool-Examen), die sie gestern Abend in Pineville besucht und für die sie ihre Reisepläne geändert hat. Jessica versucht, das Mädchen so vor sich zu sehen, wie sie sie kennengelernt hat – in buchstabenbedruckten Daunenjacken und weiten Hosen, die dunklen Haare unter einem ganzen Sortiment an Schals, Kopftücher und Mützen versteckt, bis das unschöne und endlose Rauswachsen endlich vorbei war –, und nicht so, wie sie sie gestern Abend ausgesehen hat. Jessica kämpft gegen die jüngste Erinnerung an, um weiterhin das Mädchen zu sehen, das behauptet hatte, sie sei so entschieden gegen kosmetische Verschönerungen, dass sie keinerlei Piercings haben wollte, nicht mal Ohrlöcher, aber Jessica später gestand, dass sie nur deshalb keinen Körperschmuck ertrug, weil sie schon beim Anblick von Nadeln in Ohnmacht fiel. Das Mädchen, das sich selbst »eine postmoderne Sensibilität, gefangen in einem vorpubertären Körper«, bescheinigte und deren erste Geschichte für das Do Better -Erzählprojekt an Highschools sich (in den Worten der Sechzehnjährigen) um Folgendes drehte:
    â€¦ den Abgrund, der sie seit Verlassen der Gebärmutter von ihren Eltern trennte. Als Mr. und Mrs. Dae beschlossen, ihre zunächst an Koliken, dann an Melancholie leidende Tochter nach dem Anfang der Sesamstraßen-Titelmelodie »Sunny« zu nennen, sorgten sie unwiderruflich dafür, dass sich diese Kluft nie mehr überwinden ließ. Die fröhlichen Anfangsklänge des Liedes steckten für immer in ihr wie ihr Erbgut, ein so tief

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