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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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erregend sein kann. Dass Jungs Arschlöcher sind. Dass es wichtig ist, nach vorn zu schauen und niemals zurück …
    Dutzende von Geschichten, Dutzende von gelernten Lektionen. So viele Geschichten zu hören, hat eine unschöne Auswirkung; Jessica erinnert sich oft lebhaft an Einzelheiten der Erzählung, aber nicht an die Erzählerin. Wenn sie sich die Mädchen vor Augen führen will, sieht sie eine Art Diashow von den beiden äußersten Enden des ästhetischen Spektrums: auf der einen Seite die Hässlichen mit Witwenbuckel und dünnem Haar, mit auffälligen Zahnspangen und Streuselakne. Auf der anderen die Schönen mit endlosen Beinen, gut gefüllten BHs, Schlafzimmerblick und sinnlichem Schmollmund. Es ist unfair, die Mädchen in solchen Extremen zu sehen, wo doch die große Mehrheit wie Jessica selbst in der Highschool irgendwo dazwischenfällt.
    Die Mädchen erinnern sich allerdings immer an sie, was zu einigen unangenehmen Überfällen im Supermarkt, in der Shopping Mall oder auf der Laufbahn geführt hat. Wann immer eine begeisterte Halbwüchsige Jessica mit Dank bestürmt, weil die ihr geholfen hatte, ihre einzigartige Stimme zu finden und damit eine Geschichte zu erzählen, die so niemand sonst erzählen kann, dann muss sich die verehrte Mentorin mit griffigen Allgemeinplätzen über Selbstbewusstsein, Kreativität und Ermunterung behelfen, weil sie keine Ahnung hat, mit welchem der Mädchen sie redet.
    An den meisten Tagen liebt Jessica ihre Arbeit, weil sie sich nicht nach Arbeit anfühlt. Was sie nicht mehr ausstehen kann, ist das Wegsein von zu Hause. Bei den ersten Terminen waren die Flugreisen noch etwas Neues; das Unerwartete machte ihr Freude – und am Anfang war alles unerwartet. In Santa Clarita, Kalifornien, über die kitschige, aber harmlose Familienkomödie im gebührenfreien Filmprogramm zu lachen. In Bloomington, Minnesota, mit dem Eisenkrautduft des Hotel-Duschgels in der Nase aufzuwachen. In Chandler, Arizona, den fröhlich aufdringlichen Erkennungssong der Frühstücksradioshow (Steh auf! Steh auf! Der Tag fängt an! Wach auf! Wach auf! Und halt dich ran! Raus aus den Federn, nicht lange zögern, steh auf! Steh auf! Steh auuuuuuf!) erst mitzusummen, dann mitzumurmeln, schließlich aus vollem Hals mitzujohlen. In Mukilteo, Washington, jedes Mal rot zu werden, wenn der flirtende Tankwart an der Chevron-Tankstelle Witze über Fahrerinnen aus New Jersey macht, die keinen Einfüllstutzen bedienen können. Sich in Roswell, Georgia, vom Anblick der Baby-Ruth-Schokoriegel und der Coca-Cola in der Minibar aufheitern zu lassen und eine Art Seelenverwandtschaft und Solidarität mit dem Menschen zu fühlen, der beim Befüllen des kleinen Kühlschranks diese Marken den minderwertigen Alternativen Snickers und Pepsi vorgezogen hat. Zuerst halfen diese albernen Freuden, die unangenehme Realität zu ignorieren, nämlich dass sie in keiner dieser Städte länger als drei Monate blieb. Doch irgendwann reichten sie nicht mehr.
    Denn nach zwei Jahren ständigen Herumreisens ist sie es müde. Sie hat die Nase voll, von 100-ml-Behältern zum Beispiel und von den egoistischen Passagieren, die sich herausnehmen, die Regel zu übertreten, und damit alle anderen am Sicherheitsschalter aufhalten. Sie hat die Nase voll davon, an den Wochenenden nach New York und wieder weg fliegen zu müssen, um Freunde und Familie zu besuchen. Von Hotels, die ihre Mini-Badeseife französischer Herkunft und ihre Mini-Mini-Gesichtsseife französischer Herkunft als zwei verschiedene Produkte für verschiedene Hautbedürfnisse verkaufen wollen, wo doch auf den ersten Blick erkennbar ist, dass es sich um genau die gleiche Seife in verschiedenen Größen handelt. Sie hat die Nase voll davon, beim Packen Zahnseide, Socken, Fusselbürste zu vergessen. Oder Kondome, die jedoch für die Mädchen wichtiger sind als für sie, denn in den letzten zwei Jahren hat Jessica deutlich mehr Verhütungsmittel ihren Anvertrauten zur Verfügung gestellt (zehn) als selbst gebraucht (eins). Sie hat die Nase voll von Ein-Tassen-Kaffeemaschinen und gruseligen milchfreien Kaffeeweißern, die wie Schuppen in die bittere Schwärze krümeln und Stoffe wie Natriumaluminiumsilikat enthalten, die sie insgeheim für die vorübergehende Hirnschädigung verantwortlich macht, deretwegen sie an Flughafen nichts

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