Im fünften Himmel

nicht noch einmal.
    Â»Tut mir leid«, sagt Hope. Sie hat Sunny nie gesehen, hat aber das Gefühl, sie durch Erzählungen gut zu kennen. Sunny hat oft dasselbe über Hope gesagt.
    Â»Ja«, sagt Jessica. »Mir auch.« Jetzt sollte ich es einfach erzählen , denkt sie. Hey, Hope! Rate mal, in wen ich grade hineingerannt bin! Buchstäblich! Marcus Flutie!
    Â»Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.« Hope macht eine Pause und setzt vorsichtig hinzu: »Und fragen, wann du wohl hier ankommst.« Hope ist gestern nach St. Thomas geflogen, hat die Fähre genommen und sich mit Bridget, Percy und einer handverlesenen Gruppe enger Freunde und Familienmitglieder auf der kleineren, weniger touristischen Insel St. John getroffen. Eigentlich hatte Jessica denselben Flug, dieselbe Fähre gebucht, ehe sie die Nachricht bekam, die sie zwang, den Umweg über Pineville zu nehmen.
    Â»Ging mir schon besser.« Ich stehe unter Schock. Ich bin grade in Marcus Flutie hineingerannt. »Ich habe meinen Flug verpasst.«
    Â»Oh«, stöhnt Hope, ehe sie an sich halten kann und die Tonlage ändert. »Oh!«
    Â»Ich hätte gestern nicht nach Pineville fahren sollen. Ich hätte einfach zur Hochzeit fliegen sollen wie geplant und dann zurück nach New Jersey, um Sunny zu besuchen, ehe ich nach Chicago muss …« Aber hätte ich meine Pläne nicht geändert, wäre ich nicht in Marcus Flutie hineingerannt.
    Â»Nein, nein, du hast es ganz richtig gemacht«, widerspricht Hope. »Bridget und Percy verstehen das. Ihnen geht es nicht so sehr um die Zeremonie, sondern um all das, was danach kommt.«
    Â»Weiß ich doch«, entgegnet Jessica. »Aber ich bin irgendwie ein entscheidender Teil der Zeremonie.«
    Â»Wenn es dich ein bisschen beruhigt: Sie haben schon einen Ersatzgeistlichen gefunden, für alle Fälle, weißt du?«
    Das beruhigt Jessica kein bisschen. Natürlich haben Bridget und Percy sich Ersatz gesucht, für alle Fälle, weißt du? Sehr vernünftig und praktisch, aber die Nachricht überwältigt Jessica trotzdem. Sie haben sich schon darauf eingestellt, dass sie womöglich wieder nicht auftaucht, und Jessica muss sich anstrengen, den anschwellenden Sturm der Gefühle zwischen den Augen zurückzuhalten.
    Das ist zu viel , denkt sie. Dieser ganze Scheiß ist echt zu viel.
    Â»Das ist ein Profi, zu dem hier alle gehen, wenn sie eine nichtreligiöse Zeremonie wollen«, sagt Hope, die Jessicas Zusammenbruch gar nicht mitbekommt. »Wir haben uns heute in eine seiner Trauungen gesetzt, um ihn mal unter die Lupe zu nehmen. Er ist okay, auch wenn er so tut, als sei er als Erster darauf gekommen, dass der Ehering ein Kreis ist und der Kreis die Ewigkeit symbolisiert und das Ritual des Ringtauschs die ewige Liebe von Braut und Bräutigam.«
    Hope hat schon so gut wie jede Version und Variation der modernen Trauungszeremonie gesehen und gehört. Ehe sie sich mit ihren Porträts und Gemälden einen Namen gemacht hat und damit ihren Lebensunterhalt verdienen konnte, musste sie als Angestellte des Fotostudios Capture the Moment an circa zweihundert Hochzeiten teilnehmen. Das Studio war auf Mega-Event-Hochzeiten spezialisiert, inklusive Akrobaten, Bauchtänzerinnen, Dragqueens, Trommelgruppen, Zauberern, Feuerwerk, Klezmer-Kapellen, Promi-Doppelgängern (der fette Elvis, Marilyn Monroe und Michael Jackson aus der Thriller -Phase sind besonders populär), Disney on Ice auf einer tragbaren Eisbahn und einer Kombination aus Dessertbüfett und japanischem Nyotaimori, die »Das nackte Desserttablett« genannt wurde. Solche Geschmacklosigkeiten konnten selbst eine hoffnungslose Romantikerin wie Hope in eine gehässige Hochzeitszynikerin verwandeln.
    Den letzten Kick zur Kündigung gab ihr jedoch der Trend in Richtung Paparazzi-Hochzeitsfotografie – Hope wurde dafür bezahlt, die zukünftigen Mr. und Mrs. D’Abruzzi-Glazer vor der Trauung wochenlang zu verfolgen, als gehörten sie zu Hollywoods A-Liste und jeder ihrer Schritte sei eine Million Blitze wert. Das war für sie der Inbegriff des Werteverlusts, der Hinwendung zu reiner Produktfotografie, und ließ sie dem Geschäft ein für alle Mal den Rücken kehren. Bridget und Percy hätten sie nie darum gebeten, es für sie widerstrebend wiederaufzunehmen, doch Hope hatte sie damit überrascht, ihre Dienste gratis