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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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weiß nicht, ob du woandershin musst –«
    Â»Ich muss nirgendwohin.« Marcus wehrt ihre Sorgen mit den Handflächen ab. »Ich habe Zeit.«
    Â»Bist du sicher?«, sagt sie hastig, schon auf dem Weg in die Damentoilette, und wartet die Antwort gar nicht mehr ab.
    Â»Lass dir Zeit«, sagt Marcus, als sie außer Hörweite ist. »Ich kann warten.«
ACHTZEHN
    Der Donut war offensichtlich noch Jessicas geringstes Problem.
    Â»Ohmeingott«, stöhnt sie und erschauert vor ihrer Leichenblässe im Spiegel. »Ich sehe aus wie ein blutarmer Vampir.« Sie spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht und tätschelt sich dann vorsichtig mit den Fingerspitzen die Wangen rosa.
    Ein etwa zehnjähriges Mädchen im rosa Trainingsanzug und passenden Schaflederstiefeln stellt sich ans benachbarte Waschbecken. Der Teint des Mädchens strahlt tropisch sonnengebräunt, was Jessicas hastig aufgestellte Theorie widerlegt, nur das grässliche Neonlicht sei verantwortlich für ihre gespensterbleiche, grünliche Haut.
    Â»Ift nicht möglich«, lispelt das Mädchen.
    Â»Das ist aber nett von dir.« Jessica ist von ihrem Zuspruch ehrlich gerührt.
    Â»Vampire vind im Fpiegel nicht tfu vehen«, erklärt das Mädchen. Ihr Sprachfehler ist die Folge kostspieliger kieferorthopädischer Konstruktionen. »Kein Fpiegelbild.«
    Â»Oh«, sagt Jessica.
    Â»Vie müffen vich blof neu tfurechtmachen«, übertönt das Mädchen den Spülungslärm.
    Â»Amber!«, ertönt eine schrille Stimme aus einer der Kabinen. »Was hab ich dir gesagt über das Reden mit Fremden?«
    Amber starrt wütend auf die geschlossene Tür, lässt dann zu Jessicas Information den Zeigefinger an der Stirn kreisen. Verrückt , sagen ihre Lippen lautlos.
    Â»Ich kann dich sehen!«, mahnt die Mutter. »Durch den Spalt in der Tür.«
    Â»Iiiiih«, sagt Amber. »Daf ift ekelig! Mit mir tfu reden, während du grof machft! Widerlich!«
    Jessica hört das unverkennbare Schnappen, wenn eine Mutter sich auf die Zunge beißt.
    Â»Vie wird eeeeeewig brauchen«, nölt Amber flüsternd. »Vie hat Reitfdarmvyndrom.«
    Jessica zuckt zurück – ein klassischer Fall von Überinformation –, nimmt sich jedoch rasch zusammen. »Du solltest netter zu ihr sein.«
    Amber antwortet mit geradezu gymnastischem Augenrollen.
    Jessica versucht das geistige Bild des gereizten Enddarms von Ambers Mutter zu verdrängen. Sie wendet sich wieder zum Spiegel und sieht kaum Verbesserungen. So will sie beim Wiedersehen mit Marcus ganz bestimmt nicht aussehen: geschwollene Augen, eingefallene Wangen, verwesende Nase, lepröse Lippen. Sie stimmt Ambers Einschätzung zu, aber sie gehört nicht zu den Reisenden, die von jedem vorstellbaren Pflege- und Schönheitsprodukt Miniaturbehälter mit sich führen. Jessica erinnert sich, wie sie einmal auf dem Flug von New York nach Los Angeles beim Aufwachen sah (ausgefahrene, erhobene Ellbogen), hörte (knisterknacks!) und, besonders beunruhigend, roch (angekokeltes Menschenhaar), wie sich die neben ihr eingezwängte Passagierin mit einem batteriebetriebenen Reiseglätteisen die Locken platt bügelte. Die Frau wäre auf ein überraschendes Zusammentreffen mit ihrem Ex am Newark Liberty International Airport bestens vorbereitet gewesen. Jessica hingegen nicht. Abgesehen von einem winzigen Döschen Lippenbalsam aus dem Be You Tea Shoppe sind all ihre Make-up- und Haarpflege-Utensilien in dem Koffer, den sie bei Ankunft am Flughafen widerwillig aufgegeben hat und der sich derzeit mit Flug Clear Sky 1884 auf dem Weg nach St. Thomas befindet. Dieser Koffer enthält nicht nur sämtliche sommerlichen Partyklamotten, die sie für die Hochzeit braucht, zu der sie es vielleicht noch schafft, sondern auch die ganze Hightech-Outdoorbekleidung, mit deren Hilfe sie ihre winterliche Arbeitseinheit in den Vororten von Chicago überleben will, ohne sich alle Finger und Zehen abzufrieren.
    Jessica schraubt die winzige Teekanne mit Sweet Orange Marmalade Lip Plumping Balm auf und fährt mit dem Zeigefinger darin herum.
    Â»Ich liebe den Be You Tea Foppe!«, ruft Amber und drückt auf den Seifenspender. »Ich hab meinen letften Geburtftag da gefeiert! Vehen Vie?« Sie dreht sich um und zeigt die zwei Buchstaben, die mit Pailletten auf ihren winzigen Hintern gestickt sind: BU! Ach ja, Bethany

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