Im fünften Himmel
so?«
»Meine Eltern? Nach mehr als dreiÃig Jahren zusammen haben sie endlich den Schlüssel zum ehelichen Glück entdeckt.«
»Und der wäre?«
»Nie so viel Zeit miteinander verbringen, dass man sich auf die Nerven geht.«
»Ach komm, Jessica.«
»Das ist überhaupt kein Vorwurf.«
»Klingt aber so.«
»Ist es aber nicht. Ich verurteile sie nicht. Ich meine, klar, früher fand ich es immer ziemlich krank, dass meine Eltern besser miteinander auskamen, wenn sie sich nicht sahen. Aber ⦠ähm ⦠ehe ich nicht so lange verheiratet bin wie sie, kann ich ihnen kaum erzählen, was eine gesunde Beziehung ist und was nicht. Wenn also meine Mutter in ihrem Büro arbeitet, ist mein Vater zu Hause. Wenn meine Mutter zu Hause ist, fährt mein Vater Rennrad. Und wenn sie dann mal Zeit miteinander verbringen, dann selten in ihrem Haus, sondern auf einem Kreuzfahrtschiff Tausende Kilometer weg von daheim. Ist das eigenartig? Vielleicht. Vielleicht ist es sogar total schräg. Aber meinen Eltern tut es gut, und sie wirken ziemlich zufrieden, also â¦Â«
»Und wo fahren sie so hin? Interessante Orte?«
»In Länder, wo niemand bei klarem Verstand seinen Urlaub verbringen würde.«
»Zum Beispiel? Irak? Somalia?«
»Zum Beispiel Kanada.«
»Kanada? Was ist denn an Kanada so schlimm?«
»An Kanada an sich ist nichts schlimm. Aber kalt ist es. Ich weià auch nicht; es ist einfach nicht das erste Land, das mir einfallen würde, wenn ich an Urlaub denke. Fluchtziel während des republikanischen Terrorregimes? Ja, klar. Aber Urlaubsziel? Nicht unbedingt.«
»Meinen Spitzenplatz als imaginäres Auswanderungsziel hatte immer Norwegen. Steht ständig auf Platz eins weltweit, was die Lebensqualität angeht.«
»Warst du schon mal da?«
»Natürlich nicht. Deswegen ist es doch die ideale Fluchtphantasie: Ich weià nicht genug darüber, als dass mich die Unvollkommenheiten abschrecken könnten.«
»Dass es zum Beispiel etwa das halbe Jahr stockdunkel ist?«
»Ein Vierteljahr. Von November bis Januar. Aber wen stören drei Monate Dunkelheit, wenn die Frauen alle aussehen wie Britt Ekland und die Männer wie Dolph Lundgren?«
»Heeeeeey. Ich sehe schon, das Studium hat bei dir Wunder gewirkt.«
»Wieso?«
»Du bist viel besser imstande, dämliche popkulturelle Anspielungen zu machen, als vor drei Jahren. Sehr hübsch, das mit der Ivan-Drago-Referenz.«
»Ich dachte mir, ich kann mich nur über Schund profilieren. Wie soll ich mit einer Frau intellektuell konkurrieren, die ganz nebenbei Jacques Lacan, Oliver Sacks und Lord Byron zitiert?«
»Aha! Du weiÃt also doch, was die Lacanâschen Theorien sind!«
»Ãh, ja.«
»Sei nicht so bescheiden, Marcus. Und ich wette, Rocky IV hast du in einem Hauptseminar in Princeton gesehen.«
»Woher weiÃt du das? âºPopcorn-Kino und Kriegspropaganda: Hollywoods Stereotype des Kalten Krieges in der Reagan-Ãraâ¹. Ich habe ein A gekriegt.«
»Das bezweifle ich nicht. Haha. Unglücklicherweise müssen wir die Kreativitätspunkte wegen fehlender Korrektheit wieder abziehen, denn Dolph Lundgren ist kein Norweger.«
»Was?«
»Er ist aus Schweden, Marcus. Wie übrigens auch Britt Ekland.«
»Wirklich?«
»Definitiv. Aber ist schon okay. Du kannst es Byron in die Schuhe schieben.«
»Werd ich machen, danke. Scheià auf dich, Byron! Ich nehme an, du kennst diese ganzen Schweden aus deinem Jahr in der ehemaligen Bowlingbahn.«
»Ich wohne immer noch in der ehemaligen Bowlingbahn der Swedish American Menâs Sporting Society . Aber du hast Recht, deshalb kenne ich diesen ganzen schwedischen Trivia-Kram.«
»Ich dachte, ihr musstet nach einem Jahr ausziehen.«
»Wir sollten ausziehen, wenn Mandas Tante mit ihrer Familie aus Europa zurückkommt. Die ist zwar noch Hauptmieterin, aber immer noch in Europa, und darum sind wir immer noch da.«
»Du wohnst immer noch mit Manda zusammen?«
[Husten.] »Oh nein, nein, nein. Mit Manda habe ich seit, ähm, Ewigkeiten ⦠[Husten] ⦠sehr lange nicht mehr geredet. Sara und Scotty sehe ich öfter â du weiÃt doch, dass die geheiratet haben, oder?«
»Nein, wusste ich nicht.«
»Haben sie. Nach der Geburt von Destino und vor den Zwillingen, Donatella und
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