Im fünften Himmel
von ihrer Mutter abgeklatscht, kurz bevor die Türen sich schlieÃen. Marcus richtet sich gerade auf, hebt das Kinn. Er versucht eine würdevolle Haltung einzunehmen, wie jemand, der sich nichts dabei denkt, in seiner Freizeit in einem geliehenen Bademantel herumzulaufen.
»Mein Gepäck haben sie auch verloren«, vertraut ihm die Mitfahrerin an. »Ich hänge gerade bei Clear Sky Airlines in der Warteschleife. Moment â ich glaube, jetzt hab ich wen dran â nein. Immer noch in der Warteschleife.«
Marcus lächelt freundlich und wendet ihr den Rücken zu, betrachtet die Zahlen, die in absteigender Reihenfolge aufleuchten.
Die Frau tippt ihn auf die Schulter, sucht offensichtlich jemanden, mit dem sie ihr Leid teilen kann. »Wir wollen doch alle nur dahin, wo wir sein sollten«, sagt sie. »Wir wollen bloà bei den Menschen sein, bei denen wir eigentlich sein sollten. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Sehen Sie das nicht auch so?«
Der Fahrstuhl hält mit einem Ruck im Erdgeschoss.
»Doch«, sagt Marcus. »Das sehe ich ganz genauso.«
ZWÃLF
Du bist so scheiÃe, scheiÃe, schi-scha-scheiÃe.
Und das ist der Dank dafür, dass ich mir so viele Sorgen um dich gemacht habe?
Du solltest froh sein, dass mein Schädel-Hirn-Trauma meine Persönlichkeit nicht nachhaltig verändert hat. Du solltest erleichtert sein, dass ich dich nicht mit einem Hut verwechsle. Und übrigens hast du deinen Flug heute Vormittag verpasst, weil du verschlafen hast und weil du dich nicht von deinem Vater mitnehmen lassen wolltest, obwohl deine Mutter dich vor den unpünktlichen Taxis gewarnt hat, und weil du die falsche Schlange an der Sicherheitskontrolle gewählt hast.
Ist ja schon gut. Bin ich deshalb scheiÃe?
Nein. Du bist scheiÃe, weil du dich in diesen Träumen nicht mal ein bisschen anstrengst.
In welchen Träumen?
In welchen Träumen. Siehst du? Genau das meine ich.
Genau was meinst du?
Diese Träume, wie zum Beispiel der jetzt gerade.
Was? Das ist ein Traum? Bist du sicher?
Du hast gerade gesehen, wie sich Barry Manilow in Marcus Flutie verwandelt hat. Brauchst du noch mehr Beweise?
Marcus ist ⦠Moment mal! Er ist weg! Wo ist er hin?
[Langes Seufzen.] Muss ich wirklich sagen, was du hören willst?
Was will ich denn hören?
Dass er nicht lange weg sein wird, wo er auch sein mag. Dass er nie richtig weg ist, weil er immer wieder zu dir zurückkommt. Ist das nicht die ganze TOTAL OFFENSICHTLICHE UND ÃBERHAUPT NICHT SUBTILE Instant-Botschaft all dieser â entschuldige meine politisch inkorrekte Ausdrucksweise â total behinderten Träume?
Und was soll das heiÃen?
So als ob alles in GroÃbuchstaben geschrieben wäre. Diese Träume SCHREIEN IHRE BEDEUTUNG RAUS. Viel zu offensichtlich und an der Oberfläche, um sie als Ausdruck des Unterbewussten zu begreifen. Wenn ich einen Text mit so dick aufgetragenem ANFÃNGER-PSYCHO-SYMBOLISMUS einreichen würde, würdest du ihn in Fetzen reiÃen und sagen, versuchâs noch mal. DO BETTER.
Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.
Ist schon okay, Jessica. Verleugnen, verleugnen, verleugnen. Das ist der sicherste Weg, die Sache total in die ScheiÃe zu reiten.
Was in die ScheiÃe zu reiten?
Herrgott noch mal. Du bist ja noch schlimmer, als ich gedacht habe. Ich meine, Sunny Dae, dein Alter Ego, die koreanische Wiedergeburt deines jüngeren Ichs, die aktuelle hauptamtliche Zynikerin an der Pineville High, die alles hat und zugleich nichts, sagt dir geradeheraus, du sollst ENDLICH AUFHÃREN, DICH SELBST ZU BESCHEISSEN, aber TROTZDEM willst du unbedingt weiter alles tun, um diese Sache IN DIE SCHEISSE ZU REITEN. Ich flehe dich an, Jessica, SETZ ES DIESMAL NICHT IN DEN SAND MIT MARCUS.
Marcus? Um Marcus geht es hier? Und pass auf, was du sagst. Ich bin schlieÃlich eine Autoritätsperson.
Jetzt reichtâs. Ich werde wieder bewusstlos.
Nein! Warte! Nicht!
Du besitzt die Frechheit, so zu tun, als ob es nicht um Marcus ginge?
Ich will nicht, dass es um Marcus geht.
Das weià ich. Und in den letzten drei Jahren hast du es wunderbar hinbekommen, dass es nicht immer um Marcus ging. Vor allem in den letzten sechs Stunden hast du dich mächtig ins Zeug gelegt, damit es nicht um Marcus ging. Aber jetzt solltest du mal der Realität ins Gesicht sehen. Diese Träume â DREHEN SICH NUR UM MARCUS. Und ums FICKEN.
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