Im Funkloch
würde. Kevin und Olaf ging es wohl ähnlich. Angewidert sahen wir zu.
Ich wurde von hinten angerempelt und wollte mich schon beschweren, als ich merkte, dass es Tina war. Sie stampfte mitten ins Zimmer.
Noel hatte sich inzwischen wieder die Hose hochgezogen. Der Hosenstall war noch offen. Noel zitterte leicht. Tränen liefen ihm übers Gesicht, die er ungeduldig wegwischte.
Das Lachen von Lucas und den anderen brach ab. Tina schaute fassungslos von einem zum anderen. Ihr Blick blieb schließlich an Dennis hängen, der noch immer Fotos machte. Bevor er reagieren konnte, riss Tina ihm das Handy aus der Hand. »Hey!«, schrie Dennis sie an und Tina warf das Handy zu mir. Ich bekam es mit beiden Händen zu fassen und hätte es fast fallen gelassen.
»Gib's her!«, maulte Dennis mich an.
»Lösch erst die Bilder!«, rief Tina und drehte sich zu Lucas und Annabelle um. »Ihr spinnt wohl komplett!«
Ich schaute von Tina zu Lucas, der erstaunlicherweise nicht wütend, sondern einfach nur überrascht aussah, und dann zu Dennis, der mit ausgestreckter Hand das Handy zurückforderte.
Schnell suchte ich die Fotogalerie. Eines nach dem anderen löschte ich die Bilder, wobei jede Löschung mit einem Piepston bestätigt wurde. Dennis senkte die Hand und funkelte mich wütend an.
Vom Flur wurden Stimmen laut. Frau Herzig und Passlewski kamen rein, schienen aber nicht zu raffen, was passiert war.
»Was war hier los?«, fragte Frau Herzig – leise, aber bestimmt.
Niemand sagte etwas.
»Raus mit der Sprache«, brüllte Passlewski und atmete schwer.
Lucas starrte mich an.
Ich war noch nie eine Petze gewesen und ich beschloss, auch jetzt keine zu werden. Mit Lucas hatte ich es mir sowieso verschissen, aber schlimmer musste ich es ja auch nicht machen.
»Nichts«, sagte ich und gab Dennis das Handy zurück, das er mir verdutzt aus den Fingern riss. »Nur ein kleines Missverständnis.«
Frau Herzig wusste, dass ich log. »Ein Missverständnis«, wiederholte sie spöttisch.
»Ja«, pflichtete Tina bei. »Nichts weiter. Nichts passiert.«
Passlewski atmete demonstrativ durch und schaute Lucas durchdringend an. Beide wussten, dass er schuld war – woran auch immer. »Dann lösen wir diese Versammlung hier mal lieber auf, ja? Alle in ihr Zimmer«, sagte er. Frau Herzig wirkte, als wollte sie lieber weiterbohren, schloss sich ihm dann aber an. Gemurmel und Schritte waren im Flur zu hören.
»Sie wollen wissen, was los war?«, rief Lucas den Lehrern hinterher.
Ich fluchte innerlich. Warum konnte der Idiot nicht einfach die Fresse halten? Wollte unbedingt weiter im Mittelpunkt stehen.
Alle Blicke waren auf ihn gerichtet.
»Ich wollte nur ›Tschüss‹ sagen«, erklärte er.
»Tschüss?«, fragte Passlewski.
»Ich hau ab. Den Scheiß mit diesen Vollidioten hier muss ich mir nicht geben. Ist ja schlimmer als bei meiner Mutter.« Diese Leier schon wieder . . . das war sein Standardspruch, wenn er sich eine Fünf oder Sechs abgeholt hatte.
»Wage es nicht«, sagte Frau Herzig leise. Sie konnte nicht wissen, dass das nur heiße Luft war. »Ich binja vorgewarnt worden, dass du Ärger machen könntest, aber dass es so schnell geht . . .«
Lucas war begeistert, dass seine Provokation auf fruchtbaren Boden fiel. »Vielleicht steche ich vorher noch ein paar ab, hm? Wäre doch was. Messer gibt's da unten ja genug.«
Frau Herzig holte zischend Luft, während Passlewski den Kopf senkte und ihn sachte schüttelte. Er hatte, wie wir alle, solche Sprüche von Lucas schon oft gehört. Aber Frau Herzig nicht. Sie starrte Lucas noch einen Augenblick lang an, dann stürmte sie wütend aus dem Zimmer.
»Lass das, Lucas«, sagte Passlewski. »Mach hier nicht alles kaputt. Bitte. Und jetzt . . . alle aufs Zimmer.«
Dieser verweichlichte Tonfall von Passlewski widerte mich an. Ich wünschte mir, er würde Lucas packen und ihm eine scheuern, damit der so einen Dreck nicht noch mal machte. So konnte Lucas mit Annabelle und seinen Kumpels einfach abdampfen. Ich hörte sie schon wieder lachen, als sie im Flur waren.
Die Versammlung draußen hatte sich inzwischen aufgelöst, es waren nur noch Kevin, Olaf, Noel und ich im Zimmer. Ich schloss die Tür.
»Tut mir leid, Mann«, sagte ich. »Der Typ ist einfach völlig ausgeklinkt.«
Noel war total weggetreten. Er starrte ins Leere und zitterte immer noch. Wir anderen schauten uns ratlos an.
»Können wir irgendwas . . .?«, fragte Olaf.
Mit beiden Händen strich sich Noel durch die Haare. Er
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