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Im Funkloch

Im Funkloch

Titel: Im Funkloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falko Löffler
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Gelegenheit kriegt Kevin einen blöden Spruch oder auch mehr ab, aber er nimmt es mit unendlicher Gelassenheit hin. Als ich ihn frage, ob er sich aus christlichen Gründen so verhält – andere Backe hinhalten und so – muss er lachen und meint nur, dass er einfach abwartet, bis es Lucas zu langweilig wird.
    Mir jedenfalls wird nicht langweilig – mir ist ein Mädchen aufgefallen. Tina. Vielleicht ist es die entschlossene Art, mit der sie den Schulhof überquert. Oder ihr Lachen. Ich weiß nicht, was es ist, in jeder Pause hoffe ich, dass ich sie sehe. Der Einzige, der es bemerkt, ist Kevin, und als ich feststelle, dass er nichts davon rauslässt, steigt meine Meinung von ihm noch.

In der Falle
    Ich war noch in Gedanken versunken, als ich die Treppe zum zweiten Stock hinaufging. Oben angekommen versperrte mir Dennis den Weg. »Draußen bleiben«, befahl er.
    Ich versuchte ihn zu ignorieren und an ihm vorbeizugehen, aber er stellte sich vor mich. Das war nicht nur ein blöder Witz – es war ihm ernst. Vom Flur kamen Kevin und Olaf in meine Richtung. Sie wurden von Marcel und Jan angetrieben. »Was zum Teufel soll das?«, fragte ich.
    Hinter uns kam jemand die Treppe hoch. Lucas und Annabelle, beide breit grinsend. Lucas ging vor und stieß mich beiseite. »Mach Platz.«
    Kevin und ich sahen uns fragend an, während Annabelle die obersten Knöpfe ihrer Bluse öffnete. Sie stöckelte unter dem trüben Licht der Neonröhren wie auf einem Laufsteg durch den Flur, stoppte schließlich an einer Tür und blickte ins Zimmer.
    Es war unseres.
    Ich konnte ihr Profil erkennen, wie sie lächelndetwas sagte. Dann ging sie rein und ich hörte nur noch das Geräusch der sich schließenden Tür.
    »Was wird denn das?«, fragte ich entnervt.
    »Da ist dieser Streber drin«, sagte Lucas leise, ohne den Blick vom Flur zu wenden. Er musste Noel meinen. »Annabelle hat so getan, als würde sie abschließen, und angefangen, sich auszuziehen. Gleich macht sie das Licht aus . . .«
    »Was . . .?«, fragte ich.
    Lucas hatte wieder dieses irre Grinsen und ich sah, dass Dennis sein Handy auf Fotomodus einstellte.
    »Lass den Scheiß, Mann«, sagte Olaf. Lucas reagierte nicht. Kevin und ich schauten uns ratlos an. Olaf setzte sich in Bewegung, um die Treppe runterzugehen, aber Marcel und Jan versperrten ihm den Weg auch in diese Richtung. »Lehrer rufen, hm?«, fragte Marcel. »Keine Chance, Kleiner.«
    Weiter unten im Treppenhaus tauchten einige Mädchen auf, die fragend hochschauten und gleich wieder verschwanden. Immerhin würde sich rumsprechen, dass hier oben irgendwas passierte – vielleicht holte jemand anders die Lehrer.
    »Noel hat dir doch nichts getan, Mann«, sagte ich.
    Lucas funkelte mich kurz an, und nicht zum ersten Mal an diesem Tag erwartete ich, eine verpasst zu kriegen. Aber er schaute wieder zu unserer Zimmertür.
    »Jetzt«, sagte er leise und schlich den Flur entlang. Dennis, Marcel und Jan folgten ihm.
    »Soll ich . . .?«, fragte Kevin und deutete die Treppe runter.
    »Zu spät«, meinte ich und gemeinsam liefen wir den anderen hinterher.
    Lucas stieß gerade die Tür auf. Im Zimmer war es stockdunkel. Sofort griff er nach dem Lichtschalter und stürmte rein. Dennis folgte ihm, mit erhobenem Handy, dann Marcel und Jan.
    Kevin, Olaf und ich blieben im Türrahmen stehen.
    Annabelle sprang von Noels Bett auf und warf sich in Lucas' Arme. Lucas johlte bei Noels Anblick.
    Er hatte Jeans und Unterhose bis zu den Knöcheln runtergezogen, sein T-Shirt war hochgeschoben. Seine Brille hing ihm schief im Gesicht. Noch immer war sein Kopf hochrot, doch unser Blick blieb nicht dort hängen.
    Noel hatte einen Ständer.
    Ich hörte, wie Dennis' Handy ein Foto machte. Noel sprang vom Bett auf und wäre fast nach vorne gekippt, konnte sich gerade so am kleinen Nachttisch abstützen. Lucas und die anderen – auch Annabelle – grölten, und jetzt kamen immer mehr Leute in den Flur. Das ganze Haus musste inzwischen mitbekommen haben, dass etwas los war.
    Noel versuchte unterdessen, seine Hose hochzuziehenund alles darin unterzubringen. Er hatte sich zur Seite gedreht und ich sah, dass ihm Tränen in den Augen standen.
    Ich war wie gelähmt. Alles in mir schrie danach, dazwischenzugehen. Doch ich hatte Schiss, mich auf Noels Seite zu stellen, denn jetzt, wo sich immer mehr Leute im Flur versammelten, um mitzukriegen, was da lief, war klar, was die nächsten Tage das Thema Nummer eins sein würde. Und über wen am meisten gelästert

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