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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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verlassen will.«
    Yıldız sah ihn entsetzt an. »Warum? Weshalb soll ich sie verhaften?«
    »Wegen Diebstahls, Yıldız! Diebstahls dieses kleinen Teils, das Sie in eine der zahlreichen Einkaufstüten fallen lassen, die sie mit sich herumschleppt!«
    »Sie wollen, dass ich einem jungen Mädchen etwas anhänge?«
    »Ja.«
    »Aber …«
    »Ich weiß, dass Sie schon mal Bekanntschaft mit der Müren-Familie gemacht haben, Hikmet«, sagte İkmen und suchte in seinen Taschen nach einer Zigarette, obwohl er wusste, dass er keine mehr finden würde.
    Yıldız blickte in den klaren blauen Himmel und kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung …«
    »Ja, plus eine Beziehung der besonderen Art zu dem verstorbenen Hassan Şeker.« İkmen legte einen Arm um Yıldız’ Schulter und führte ihn zurück auf die Hauptverkehrsstraße. Dann zeigte er auf ein Modegeschäft auf der rechten Seite.
    »Also: Das fette Mädchen in dem Laden ist Alev Müren, Ali Mürens heiß geliebtes Töchterlein.«
    »Oh, verstehe.«
    »Genau. So, jetzt marschieren Sie los und kaufen etwas für Ihre Schwester.«
    »Ich habe keine Schw…«
    »Dann tun Sie eben so als ob!«, stieß İkmen zwischen den Zähnen hervor. »Und wenn Sie Alev mit nach draußen bringen, stehe ich bereit, um sie in Empfang zu nehmen. Diesem verzogenen Balg laufe ich schon länger hinterher, als mir lieb ist. Ich weiß genau, was sie vorhat«, fügte er geheimnisvoll hinzu. »Und ich weiß, welche Konsequenzen das für ihre Brüder haben kann.«
18
    İ kmen wies mit dem Kopf in Richtung des nächstgelegenen Vernehmungsraums.
    »Bringen Sie ihn da hinein«, sagte er zu dem untersetzten Beamten, der Ekrem Müren den Arm auf den Rücken gedreht hatte.
    »Wenn ihr meine Schwester auch nur anfasst …«, schnaubte Müren mit zornrotem Gesicht.
    »Ja, ja«, sagte İkmen gelangweilt und folgte dem Polizisten und seinem Gefangenen in den Vernehmungsraums. »Dann wirst du mir Arme und Beine ausreißen und den Wölfen zum Fraß vorwerfen.« Er setzte sich und zündete sich eine Zigarette an.
    Während Wachtmeister Roditi noch versuchte, den widerspenstigen Ekrem Müren auf einen Stuhl zu drücken, betrat Hikmet Yıldız den Vernehmungsraum und setzte sich neben İkmen an den Tisch.
    »Ihr habt überhaupt keinen Grund, Alev festzuhalten!«
    »Aber sicher haben wir den«, erwiderte İkmen mit einem Lächeln. »Es handelt sich um einen Schal, den Fräulein Müren aus dem XOOX mitgehen lassen wollte, nicht wahr, Wachtmeister Yıldız?«
    »Ja, Inspektor, einen blauen Schal.«
    »Wie geschmackvoll«, meinte İkmen. Doch dann änderte er urplötzlich seinen Tonfall und fuhr Müren an: »Setz dich hin und halt’s Maul!«
    »Wenn irgendeins dieser Tiere da unten meine Schwester angrapscht«, sagte Ekrem, dem İkmen eine Gruppe sehr großer und kräftiger Beamter gezeigt hatte, als sie Alev in der Zelle besuchten, »wenn sie …«
    »Also sollten wir versuchen, sie so schnell wie möglich da unten rauszuholen, richtig?«, sagte İkmen. »Und deshalb bleibst du jetzt schön still sitzen, damit unser Wachtmeister Roditi hier sich ein wenig ausruhen kann.«
    Doch Ekrem bäumte sich erneut auf und zischte: »Du Scheißbulle!«
    »Geht’s vielleicht auch ein bisschen freundlicher?«, meinte İkmen. Dann seufzte er müde: »Sieh mal, Ekrem, ich will dir doch nur einen Handel vorschlagen. Also hör endlich auf zu zappeln, damit wir zum Geschäftlichen kommen können.«
    Ekrem Müren beäugte İkmen misstrauisch. Da er bisher nur Süleymans und İskenders heißen Atem im Nacken gespürt hatte – andere Begegnungen mit weniger hochrangigen Polizisten waren zumeist erfreulicher verlaufen –, fehlte ihm jede persönliche Erfahrung im Umgang mit İkmen. Und während sich sein Körper langsam etwas entspannte, dachte er darüber nach, dass der Ruf, der diesem Mann vorauseilte, nicht zu dem Angebot passte, das er ihm gerade gemacht hatte. Aber andererseits gab es in İkmens Abteilung durchaus korrupte Beamte, wie Ekrem aus eigener Erfahrung wusste, und vielleicht waren die Geschichten über den angeblich so unbestechlichen Inspektor İkmen auch einfach nur, nun ja, erfunden.
    Ekrem blickte hinter sich, wo immer noch Roditi stand, der ihn inzwischen aber losgelassen hatte. Dann drehte er sich ruckartig wieder um und starrte İkmen ins Gesicht.
    »Wie viel willst du?«, fragte er. »Ich kann innerhalb einer Stunde jede Summe beschaffen.«
    »Oh, gut zu wissen«, sagte

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