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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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ihres jetzt recht angespannten Gesprächs aufzuschnappen, aber die beiden beachteten ihn gar nicht.
    Als der Junge wieder gegangen war, beugte Tepe sich zu seiner Geliebten vor und sagte: »Du weißt, dass ich mir diese Restaurants im Moment nicht leisten kann. Wir müssen dort hingehen, wo ich das Essen auch bezahlen kann.«
    »Wie hier in dieser Absteige!«, sagte sie, während ihr Gesicht vor Wut und Enttäuschung rot anlief.
    »Es ist eine ganz normale pideci … «
    »Eben!« Sie sah ihn entschlossen an. »Und danach gehen wir rüber in die leere Wohnung deines Bruders, wo ich …«
    »Sprich gefälligst leise!« Nervös sah er sich um, doch zu seiner Erleichterung waren die Studenten und der Kellner verschwunden.
    »Ich erwarte mehr von meinem Leben, Orhan«, fuhr Ayşe fort. »Ich habe das verdient. Und du hast das auch verdient. Eine nette, kleine Wohnung, in der wir uns entspannen können, hübsche Kleidung, gutes Essen, die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft.«
    »Die wir auch haben werden, wie oft soll ich dir das noch sagen?!«, stieß Tepe im Flüsterton wütend hervor. »Ich arbeite daran. Ich denke jeden Tag daran. Und eines Tages …«
    »Eines Tages, wenn du nicht bald was unternimmst, werde ich dich wieder den schüchternen Zärtlichkeiten deiner frigiden Frau überlassen und …«
    »Und noch einmal versuchen, Mehmet Süleyman zu verführen?« Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Begierde und Widerwillen. Irgendwie erregte ihn das sehnsüchtige Verlangen, das sie noch immer für ihren ehemaligen Liebhaber Süleyman hegte. Das war schon immer so gewesen. Von Anfang an hatte er Süleyman beneidet, aber der Gedanke, dass ihm jetzt etwas gehörte, was dem wesentlich kultivierteren, aristokratischen Inspektor nicht mehr zur Verfügung stand, schenkte ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Ayşe Farsakoğlu war nicht nur eine schöne Frau, sondern auch eine leidenschaftliche Liebhaberin – es konnte gar nicht anders sein, als dass Süleyman sie vermisste. Denn womit musste er sich zurzeit begnügen? Mit einer scharfzüngigen alten Hexe, die in der Schwangerschaft aufgegangen war wie ein Hefekuchen. Orhan lächelte, Ayşe hingegen nicht.
    »An Mehmet Süleyman denke ich immer nur dann«, sagte sie mit eisiger Stimme, »wenn ich von all den schicken Restaurants träume, in die er mich hätte ausführen können. Restaurants, die du und ich bald besuchen sollten, wenn du nicht willst, dass Aysel etwas erfährt.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er sie am Handgelenk. »Wag es nicht, mir mit Erpressung zu drohen!«
    »Das ist keine Drohung – das ist ein Versprechen! Ich werde es tun!«, erwiderte sie, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr der feste Griff seiner Hand schmerzte. »Ich will etwas Besseres als das hier, Orhan. Ich bin fast dreißig. Ich will, dass wir uns gemeinsam etwas aufbauen. Ich will deine Frau sein. Und ich werde alles tun, damit dieser Wunsch in Erfüllung geht!«
    Einen Moment lang saßen sie schweigend da, die Hände verschränkt, als wollten sie ihre Kräfte beim Armdrücken messen. Und obwohl er sich vor dem, was sie sagte und gewiss auch in die Tat umsetzen würde, fürchtete, fühlte er sich gleichzeitig erregt von ihrer Entschlossenheit und Willensstärke. In solchen Momenten erschien sie ihm besonders begehrenswert. Vor seinem inneren Auge tauchten Bilder von ihr auf, wie sie vor ihm kniete und ihn mit ihren Lippen umschloss, während er ihren Kopf eisern festhielt und rhythmisch vor und zurück bewegte. Er spürte, wie sein Schwanz steif wurde.
    »Komm, lass uns hier verschwinden«, sagte er heiser.
    Sie entzog ihre Hand seiner sich lockernden Umklammerung und stand auf.
    Orhan ging mit ihr in die Wohnung seines in Ankara lebenden Bruders, die dieser nur während seiner seltenen Besuche in Istanbul benutzte. Dort wiederholte er als Erstes die Szene, an die er im Restaurant gedacht hatte, später warf er sie dann aufs Bett und nahm sie auf jene rücksichtslose Art und Weise, die seine Frau Aysel so verabscheute. Fast unmittelbar nachdem er in ihr gekommen war, wollte er sie erneut. Er konnte einfach nicht genug bekommen. Erst später dachte er darüber nach, wie das alles weitergehen sollte. Natürlich wollte er ihr all die Dinge geben, das gute Leben, das sie sich wünschte. Und er wusste, sobald er ihre Wünsche erfüllte, würde sie ihm noch weiter entgegenkommen, sich noch offener für sexuelle Experimente zeigen. Aber im Augenblick konnte er an der Situation

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