Im Glanz der roten Sonne Roman
diese hatte ihr erzählt, dass Letitia fast ganz wieder bei Kräften war. Trotzdem machte Eve sich noch immer Sorgen, denn sie wusste nur zu gut, in welcher Verfassung sich Max befand.
»Es muss unbeschreiblich gewesen sein«, fuhr Irwin fort. »Jules ist mit den Mitgliedern der Kommission hingefahren, um darüber zu berichten, aber er sagt, er könne unmöglich veröffentlichen, was er dort gesehen hat. Ich glaube, er wollte keine Anzeige riskieren.«
»Und weiter?«, fragte Eve gespannt.
»Jules sagte, dass der Teufel los gewesen ist. Zuerst mussten sie Constable Hawkins rufen, um überhaupt auf das Grundstück zu kommen, und dann fanden sie den betrunkenen Max. Er hat versucht, sie an der Inspektion der Baracke zuhindern, in der die kanakas wohnen, und als das nichts nützte, ist er mit einer Forke auf einen der Männer losgegangen. Anscheinend musste Constable Hawkins ihm drohen, ihn zu verhaften, um ihn zur Vernunft zu bringen.«
»Großer Gott!«
»Als die Kommission die Strafe festgelegt hatte und sie Max sagten, dass die Plantage stillgelegt würde, wenn er sich nicht an bestimmte Vorgaben hält, hat er völlig den Verstand verloren. Er hat seinen kanakas befohlen, mit Spaten und Hacken auf die Kommissionsmitglieder loszugehen. Jules sagt, sie wären gerannt wie die Hasen. Ich glaube, Jules und die Leute von der Kommission können von Glück sagen, dass sie keine ernsten Verletzungen davongetragen haben.«
Eve war erschüttert. »Und wann ist das alles passiert, Irwin?«
»Hmmm, lass mich überlegen. Ich glaube, vor knapp einer Woche.«
»Weiß jemand, ob es Celia, Lexie und meiner Mutter gut geht?«
Irwin hatte noch nie gehört, dass Eve jemanden aus der Familie Courtland als »Verwandten« bezeichnet hatte; deshalb überraschte es ihn. Natürlich hatte er die Gerüchte gehört, dass Eve die jüngste Tochter von Max und Letitia war; er hatte die Szene auf dem Ball miterlebt und die Mutmaßungen darüber gehört, warum ihre Eltern sie bei Fremden hatten aufwachsen lassen – angeblich, weil Eve irgendwelche Probleme gehabt hatte. Doch bisher war sie jedem Gespräch über dieses Thema ausgewichen.
»Soviel ich weiß, ist mit deiner Mutter und deinen Schwestern alles in Ordnung. Es wird erzählt, dass Max noch an demselben Tag nach Babinda geritten ist und seitdem nicht wieder gesehen wurde.«
Eve schaute Irwin verwundert an. »Warum ist er nach Babinda geritten?«
»Keine Ahnung.«
»Jedenfalls habe ich eine Idee für einen neuen Artikel, Irwin!«, meinte Eve lebhaft.
Irwin schüttelte den Kopf. »Was ich dir gerade erzählt habe, darfst du nicht verwenden, Eve. Das war streng vertraulich. Jules würde mich zum Frühstück verspeisen, wenn er erführe, dass ich dir Material für einen neuen Artikel gegeben habe!«
Eve schaute ihn finster an. »Ich habe nicht im Traum daran gedacht, weitere Artikel über Max Courtland zu schreiben. Anscheinend hat er endlich bekommen, was er verdient. Ich hatte eher an etwas Erfreuliches gedacht.« Sie lächelte Irwin verschwörerisch zu. »Bitte sag Jules schon mal – oder besser noch, warne ihn vor –, dass ich morgen bei ihm vorbeischaue!«
»In Ordnung.« Irwin trat unruhig von einem Bein aufs andere, und Eve schaute ihn prüfend an.
»Ist noch was, Irwin?«
»Nein, eigentlich nicht. Wir sehen uns dann im Büro.« Als er die Verandastufen hinunterging, verlor er die Balance und wäre um ein Haar in der Pferdetränke gelandet.
»Sei vorsichtig, Irwin«, meinte Eve, die so tat, als bemerke sie seine Verlegenheit nicht. »Und danke für deinen Besuch!« Sie wandte sich um und wollte ins Haus zurück.
»Wäre es dir recht, Eve, wenn ich dich wieder einmal besuche?«
»Ich ...« Eve hatte nicht gedacht, dass es sich um einen Freundschaftsbesuch handelte, doch seine Worte ließen darauf schließen. »Wozu, Irwin?«
Tiefe Röte stieg Irwin in die Wangen. »Na ja ... um ein bisschen zu plaudern oder einen Spaziergang zu machen ...« Jetzt sah er den alarmierten Ausdruck auf Eves Zügen. »Und um über Ideen für neue Artikel zu reden, falls du noch daran interessiert bist.«
»Natürlich.« Eve runzelte die Stirn. Sie wollte ihn nicht verletzen, denn sie wusste, wie empfindsam er war – genau wie sie selbst. »Ja, Irwin, das wäre mir recht.«
Kopfschüttelnd kam Eve ins Haus zurück.
»Was ist los?«, wollte Jordan wissen.
»Ich kann mir keinen Reim darauf machen, warum Irwin überhaupt gekommen ist«, erwiderte sie nachdenklich. »Er schien nichts
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