Im Glanz der roten Sonne Roman
Atem, um seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Im Geiste sah er seine Eltern lachend nebeneinander auf der Schaukel sitzen. Sie waren so glücklich gewesen. Wenn er doch nur die Zeit zurückdrehen könnte ...
Jordan fühlte, wie der Hass auf Max Courtland ihn wieder zu überwältigen drohte. Er zitterte vor Wut am ganzen Leib. Doch er kämpfte das Hassgefühl nieder – so, wie er im Geschäftsleben seine Gefühle beiseite schieben musste, um sich durchzusetzen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf dieabblätternde Farbe an den Säulen der Veranda und auf das halb eingestürzte Dach des Vorbaus. Überall waren Staub, Schmutz und Spinnweben. Jordan mochte gar nicht an das Innere des Hauses denken, an die hübschen Sachen seiner Mutter, ihre Porzellanfiguren, ihr chinesisches Rosenmuster-Service, ihr Klavier ...
Jordan ließ den Blick über die Felder schweifen, die von Unkraut und wilden Zuckerrohrtrieben überwuchert waren. Es würde Wochen harter Arbeit bedeuten, die Felder zu jäten. Jordan dachte daran, wie ordentlich diese Felder zu Lebzeiten seines Vaters bestellt gewesen waren, und Trauer überkam ihn.
Weit draußen, hinter den ordentlich bestellten Feldern anderer Plantagenbesitzer, sah Jordan das Korallenmeer schimmern. In der Ferne ratterte ein mit frisch geerntetem Zuckerrohr beladener Zug zur Mourilyan-Mühle.
In der Gegenrichtung breitete sich eine von Trockenheit braune, verdorrte Ebene aus, doch Jordan wusste, wie rasch dieses Land wieder grünte, sobald die Regenzeit begann. Die Luft war warm und angenehm, erfüllt vom süßen Geruch nach frisch geerntetem Zuckerrohr.
Jordan war klar, dass es viel harte Arbeit und Geld kosten würde, um Eden neu aufzubauen und die Plantage wieder zu einem Gewinn bringenden Betrieb zu machen. Doch er würde alles tun, um den Traum seines Vaters Wirklichkeit werden zu lassen – ein Ziel, das Patrick Hale vor zehn Jahren fast schon erreicht hatte, als seine Welt in Trümmer fiel. Jordan wusste, dass der Wiederaufbau Edens den Schmerz in seinem Innern lindern würde.
Die letzten Wunden aber würden erst dann verheilen, wenn er Maximillian Courtland zugrunde gerichtet hatte.
Jordan und die junge Frau schlenderten zum Flussufer hinunter, wo sie vor den Gräbern der Hales stehen blieben.Anders als das Haus waren die Gräber sorgfältig gepflegt; vor jedem der Kreuze mit den Namen lagen Hibiskusblüten.
»Haben Sie die Hales gekannt?«, wollte die junge Frau wissen.
Jordan nickte. »Es war nett von Ihnen, die Gräber zu pflegen«, sagte er leise.
»Der Dank gebührt nicht mir, sondern einem der ehemaligen Plantagenarbeiter. Er kümmert sich um die Gräber.«
Jordan wandte sich um. »Ein ehemaliger Plantagenarbeiter? Wollen Sie damit sagen, er war schon damals hier beschäftigt, als es Eden noch gab?«
»Ja. Nebo hat für die Hales gearbeitet.« Sie schaute ihn nachdenklich an. »Kennen Sie ihn?«
»Ja, sicher! Ich hatte keine Ahnung, dass er noch hier ist ... dass er überhaupt noch lebt.« Schon als Jordan ein kleiner Junge gewesen war, war Nebo ihm steinalt erschienen.
Die junge Frau lächelte. »Das würde Nebo sicher nicht gern hören, er ist sehr stolz. Er hat mir erzählt, dass er Eden nie verlassen hat, seit die Hales gestorben sind. Ich glaube, er wartet auf die Rückkehr des Sohnes ... Jordan Hale. Haben Sie Jordan gekannt? Er muss jetzt ein erwachsener Mann sein, doch Nebo spricht von ihm noch immer wie von einem kleinen Jungen.«
Jordan wandte sich wieder den Gräbern seiner Eltern zu. Die junge Frau sah an seiner ernsten, traurigen Miene, dass er Patrick und Catheline Hale sehr gut gekannt haben musste – und plötzlich glaubte sie zu wissen, wen sie vor sich hatte.
»Mein Gott, Sie sind Jordan, nicht wahr?«, stieß sie hervor und kam sich sehr dumm vor, als er nickte. »Oje«, murmelte sie dann zu seinem Erstaunen. »Das bedeutet, dass ich obdachlos bin.«
Jordan wandte sich ihr zu. »Jetzt wird es aber Zeit, dass Sie mir endlich Ihren Namen sagen.«
»Eve.«
»Eve – und weiter?«
»Eve Kingsly.«
»Wo haben Sie geschlafen, Eve? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie im Haus gewohnt haben, so wie es aussieht.«
»Ich wohne in dem kleinen Anbau an der Rückseite. Nur dort ist das Dach dicht geblieben, und auch das Fliegengitter ist noch heil, sodass ich nicht bei lebendigem Leib von den Mücken gefressen werde. Nebo wohnt im Arbeiterquartier. Die meisten anderen Gebäude auf dem Anwesen sind nur noch Ruinen.«
»Ich werde ins
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