Im Glanz der roten Sonne Roman
Jordans Pferd scheute. Gerade als er versuchte, das erschrockene Tier wieder unter Kontrolle zu bekommen, schoss ein Radfahrer aus dem Zuckerrohrfeld hervor. Das Rad schwankte einen Moment von einer Seite zur anderen, bevor es mitsamt dem Fahrer im Straßengraben landete.
Als Jordan das Pferd wieder in der Gewalt hatte und vom Wagenbock geklettert war, hatte der Fahrer sich aufgerappelt und bemühte sich, das Fahrrad aus dem Graben zu heben.
»Wo kommen Sie denn so plötzlich her, zum Teufel?«, stieß der Fremde zornig hervor.
»Das könnte ich Sie auch fragen«, erwiderte Jordan und streckte die Hand aus, um dem Unglücklichen aus dem Graben zu helfen.
Doch Jordans Geste blieb unbeachtet. Stattdessen begutachtete der Mann den Schaden am Rad und an sich selbst, der zum Glück nicht groß war.
Jordan blickte hinter sich und betrachtete die schmale Reifenspur des Fahrrads zwischen den dichten Reihen der Zuckerrohrpflanzen. Als er sich wieder umwandte, schaute der andere zu ihm auf. Erstaunt musterte Jordan die Reithose, das weit geschnittene Hemd, den breitkrempigen Hut, der das kurze Haar fast gänzlich bedeckte – und das Gesicht, das einer jungen Frau gehörte, die soeben aus dem Graben kletterte. Sie stellte sich vor Jordan hin und betrachtete den gut aussehenden jungen Mann genauer.
»Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, sagte sie.
»Ich bin lange Zeit nicht hier gewesen«, erwiderte er. »Hier hat sich alles sehr verändert. Haben Sie sich wehgetan?«
»Oh, keine Bange.«
»Erstaunlich, dass Sie mit diesem seltsamen Ding so gut umgehen können«, sagte Jordan.
»Ja – so gut, dass ich damit im Graben lande«, sagte die junge Frau seufzend. »Anfangs haben sich meine Röcke in der Kette verfangen, und jetzt kommen wildfremde Männer daher und fahren mich beinahe über den Haufen. Eines Tages werde ich mir noch den Hals brechen.« Sie betrachtete ihr Fahrrad. »Das nennt sich nun Fortschritt«, sagte sie verächtlich, zog die dunklen Brauen hoch und schaute Jordan wieder an. »Jetzt wollen die Leute das gute alte Geraldton sogar in ›Innisfail‹ umbenennen! Na, das wird unter den Alteingesessenen und Durchreisenden für einige Verwirrung sorgen.«
Sie besaß die dunkelsten Augen, die Jordan je gesehen hatte, schön geformte Lippen und ein spitzbübisches Gesicht. Ihr kurzes Haar war so schwarz wie das seiner Mutter, wie er es von Fotos in Erinnerung hatte, und ihr Teint war dunkel, was ihr ein leicht exotisches Aussehen verlieh.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, erkundigte sie sich und wandte verlegen den Blick ab, als sie bemerkte, dass Jordan sie musterte.
»Eine Plantage. Sie heißt Eden. Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich sie finden kann.«
Sie wandte sich um und ging ein paar Schritte, wobei sie ein wenig humpelte und das Fahrrad mit einem leicht schiefen Gang neben sich her schob. »Sind sie verletzt?«, fragte Jordan.
»Nein, das sehen Sie doch«, stieß sie gekränkt hervor und ging mit trotzig erhobenem Kopf weiter. Jordan spürte, dass er etwas Falsches gesagt hatte; die junge Frau littoffensichtlich unter irgendeinem körperlichen Gebrechen. Jordan nahm sein Pferd am Halfter und ging zu Fuß neben ihr.
»Wenn Sie Ackerland pachten wollen«, sagte sie, »sind Sie mit Eden nicht gut beraten. Das alte Wohnhaus der Hales ist schrecklich heruntergekommen. Der Eigentümer hat es arg vernachlässigt. Und die Äcker sind voller Unkraut.«
»Ich würde es mir trotzdem gern anschauen.« Jordans bestimmter Tonfall ließ das Mädchen erkennen, dass er es gewohnt war, Anweisungen zu geben, die widerspruchslos ausgeführt wurden. Sie musterte ihn neugierig.
»Wenn Sie meinen. Aber es ist Zeitverschwendung, das sage ich Ihnen gleich.«
»Woher wissen Sie so viel über Eden?«, fragte Jordan verwundert.
»Ich bin so etwas wie die ... Verwalterin.«
Jordan blickte sie fragend an, doch die junge Frau schaute den Weg hinunter und bemerkte es nicht. »Dann haben Sie sicher eine Vereinbarung mit dem Besitzer, nicht wahr?« Er wollte sie bei einer Lüge ertappen, doch zu seinem Erstaunen hob sie den Kopf und erwiderte mit durchtriebenem Lächeln: »Nicht offiziell. Ich habe mich einfach dort eingenistet. Aber ohne mich wäre das Haus voller Flughunde, Tauben und Schlangen. Ich wohne schon lange dort.«
Jordan wurde neugierig. Sie sah niemandem ähnlich, an den er sich aus seiner Jugendzeit erinnern konnte. Wer mochte sie sein?
»Sie wohnen schon lange in Eden? Wie alt sind Sie denn?«
»Das
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