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Im Glanz der roten Sonne Roman

Titel: Im Glanz der roten Sonne Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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belästigen wollte – eine gebrochene Angelrute zum Beispiel oder ein Loch im Schuh –, war er zu Nebo gegangen, und der hatte alles wieder in Ordnung gebracht. Nie hatte er seine Hilfe verweigert.
    Jordan hatte geglaubt, er wäre auf das Schlimmstevorbereitet, doch als er die Baracke sah, packte ihn das blanke Entsetzen. Ob das Gebäude beim Wirbelsturm beschädigt worden war, konnte er nicht sehen, denn die Baracke war vollständig vom einem dichten Geflecht aus Schlingpflanzen und wildem Wein überwuchert. Eine vom Sturm umgewehte Bananenstaude lag halb auf dem Dach, und die Mango- und Papayabäume standen in einem mindestens hüfthohen Teppich aus Gras und Unkraut.
    Plötzlich tauchte Nebo im Türrahmen der Baracke auf, die eher wie der dunkle Eingang einer Höhle wirkte.
    »Wer schleicht hier herum?«, rief er heiser und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Er wusste, dass es nicht Eve war, denn diese rief ihm immer einen Gruß zu, wenn sie kam.
    Einen Moment standen die beiden Männer einander gegenüber. Plötzlich legte sich ein Lächeln auf Nebos Gesicht.
    »Gütiger Gott, es ist Master Jordan! Sie sind ein Mann geworden!«, rief der alte Plantagenarbeiter. »Sie sind heimgekommen!«
    »Nebo! Wie schön, dich wiederzusehen.« Jordan eilte auf den alten Mann zu und schloss ihn in die Arme. Nebos abgetragene, schmutzige Hose war an den Knien durchgescheuert und wurde an der Hüfte mit einem Stück Seil zusammengehalten. Als Jordan die Hände auf den Rücken des alten Mannes legte, spürte er durch den dünnen Stoff des zerlumpten Hemdes hindurch die hervorstehenden Knochen des mageren Körpers und erschrak.
    Nebos Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe lange auf diesen Tag gewartet, Master, sehr lange!« Es klang müde, als wäre das Warten ihm schwer geworden. Jordan fühlte sich schuldig, da er all die Jahre kaum an Nebo und die anderen Arbeiter gedacht hatte; seine Gedanken waren allein auf Maximillian Courtland und seine Rachepläne gerichtet gewesen. »Ich kann kaum glauben, dass du noch hier bist«, sagte er, gerührt über so viel unverdiente Treue. Nebo humpelte zueinem altersschwachen Stuhl im Schatten. Er schien ein wenig steif in den Knochen zu sein, und seine Haare und die Bartstoppeln waren weiß. Außerdem hatte er fast alle Zähne verloren. Doch Nebos Miene, die stets den Eindruck erweckte, als würde er lächeln, war geblieben.
    »Ich hätte nicht gewusst, wohin ich sonst gehen sollte, Boss«, erwiderte er und fügte hinzu: »Zumindest weiß ich keinen Ort, an den ich gern gegangen wäre.« Er bedeutete Jordan, sich auf ein altes Ölfass zu setzen.
    »Ich dachte, du wärst zurück nach Hause, Nebo.« Jordan ließ sich auf dem Fass nieder. Die kanakas waren damals angewiesen worden, die letzte Ernte einzubringen und den Erlös unter sich aufzuteilen. So hätten sie über mehr als genügend Geld verfügt, um auf ihre Heimatinseln zurückzukehren – die Cook-Inseln, Tonga, Fidschi ...
    Ein Schatten huschte über Nebos Gesicht. »Ich habe zu Hause niemanden mehr. Diejenigen, die nicht hierher gebracht wurden, sind längst tot.« Plötzlich hellte seine Miene sich wieder auf. »Saul und Noah sind noch in der Gegend, Boss. Wenn die beiden hören, dass Sie wieder in Eden sind...!«
    Jordan lächelte. »Saul und Noah.« Sein Vater hatte die beiden hünenhaften Südseeinsulaner, die von Tonga stammten, als Arbeiter eingestellt, kurz nachdem er das Land gekauft hatte, um Zuckerrohr anzubauen. Schon als Junge hatte Jordan gewusst, wie sehr sein Vater Saul und Noah schätzte – nicht nur, weil sie so stark waren, dass sie gemeinsam die Arbeit von zehn Männern schafften; obendrein waren sie treu wie Gold und stets gut gelaunt, wie hart die Arbeit auch sein mochte. Mit der Zeit waren sie Freunde geworden. »Für wen arbeiten sie?«
    Nebo lächelte leicht. »Für keinen mehr. Sie haben damals gesagt, sie arbeiten für keinen anderen als Master Patrick.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Seit zehn Jahren wohnen sie am Fluss und leben von Fisch und wildenFrüchten, genau wie ich.« Er deutete auf die Pfanne über dem Feuer, in der zwei große Katzenfische brieten, und grinste. »Miss Eve mag Katzenfisch.« Plötzliche Besorgnis legte sich auf seine Züge, und Jordan ahnte, was der alte Mann dachte.
    »Ich habe Eve auf dem Weg hierher kennen gelernt«, sagte er.
    »Sie war mir eine gute Gesellschaft, Boss«, erklärte Nebo, und tiefe Falten bildeten sich um seine dunklen Augen. »Hat mir Licht

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