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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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hatte. Ich werde nie vergessen, wie sie mich in diesem Moment angesehen hat, voll abgrundtiefem Hass. Ihre Mutter gab mir die alleinige Schuld an dem Vorfall, und ich ging den Weg des geringsten Widerstands: Ich verließ meine Familie und zog hierher. Ich habe seitdem keinen Kontakt mehr zu ihnen. Sie sind ohne mich besser dran. Lindy hat mir vorgeworfen, ich sei ein Versager, als Ehemann und als Vater, und sie hatte Recht.«
    Myra war den Tränen nahe. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass ihr alter Freund so viel durchgemacht hatte.
    »Wenn ich getrunken habe«, fuhr Charlie leise fort, »und Girra nachts umherstreifen sehe, sehe ich wieder meine Tochter vor mir. Ich denke daran, was ihr alles zustoßen könnte, und ich will sie nur beschützen. Ich habe ihr nie wehtun wollen, wirklich nicht.« Er sah Myra flüchtig an. »Andererseits ist da das Blut auf meinem Hemd, das eigentlich nicht von mir stammen kann, und die Schreie, von denen Myra wach geworden ist.«
    Mick starrte ihn fassungslos an. »Willst du damit sagen, du könntest das Mädchen verletzt oder gar getötet haben?«
    »Ich weiß es nicht, das ist es ja. Und deshalb sollten wir nach ihr suchen. Ich will nicht, dass ihre Familie ihre Leiche findet«, stieß Charlie gepresst hervor.
    »Charlie hat Recht«, stimmte Myra zu. Sie mussten sich Gewissheit über Girras Schicksal verschaffen.
    »Also, ich weiß nicht, wie ihr darüber denkt.« Mick ließ seinen Blick über seine Gäste schweifen. »Aber ich kann nicht glauben, dass du dem Mädchen irgendetwas angetan hast, Charlie.«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich.
    Myra verlor allmählich die Geduld. »Wir können doch nicht einfach den Kopf in den Sand stecken, Mick!«
    Doch der machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich kenne Charlie seit vielen Jahren, und er ist nie in irgendeiner Weise aggressiv gewesen. Wenn es eine Schlägerei gegeben hat, hat er sich immer rausgehalten, was man von der einen oder anderen Frau hier nicht behaupten kann.« Die anderen Männer nickten und grinsten.
    »Ich meine trotzdem, dass wir bei der Suche nach Girra helfen sollten«, beharrte Myra.
    »Wir sollten uns lieber diese schwarzen Burschen vorknöpfen, die hinter Charlies Laden Feuer gelegt haben«, sagte Colin, der gerade hereingekommen war und Myras Worte gehört hatte.
    »Was?« Burt sah ihn überrascht an.
    »Wann war das?«, fragte Mick mit finsterer Miene.
    »Ich hatte gerade zugesperrt«, antwortete Charlie. »Sie haben die Mülltonne hinter dem Haus in Brand gesteckt. Zum Glück kam Colin zufällig vorbei und bemerkte den Rauch.«
    »Diese Lausebengel«, knurrte Burt. »Die werden wir uns schnappen.«
    »Einen Moment mal«, rief Myra dazwischen. »Ich glaube es einfach nicht! Nach Girra wollt ihr nicht suchen, aber nach ein paar Jungen, die sich einen dummen Streich erlaubt haben!«
    »So nah an einem Haus Feuer zu legen ist kein Dummejungenstreich, Myra«, sagte Mick ernst. »Zumal es sich um den Laden handelt, auf den wir alle hier angewiesen sind. Sogar die Aborigines kaufen gelegentlich bei Charlie ein.«
    Myra machte den Mund auf, klappte ihn wieder zu, drehte sich dann auf dem Absatz um und stapfte wütend aus dem Pub. Ruby folgte ihr.
    »Reg dich nicht auf, Myra«, sagte sie besänftigend. »Das bringt doch nichts.«
    »Ich weiß, aber ich kann nicht anders. Ich könnte platzen vor Wut! Wenn ich ein Auto hätte, würde ich selbst nach Girra suchen.«
    »Mit einem Auto würdest du wahrscheinlich nicht weit kommen«, gab Ruby zu bedenken.
    »Du hast Recht. Man bräuchte einen Geländewagen. Oder ein Pferd.« Myra sah, wie sich Rubys Miene aufhellte. »O nein, vergiss es. Silver Flake kannst du nicht nehmen, das würde Jed niemals erlauben. Das Pferd ist viel zu wertvoll für einen Ritt querfeldein. Außerdem würdest du dich da draußen verirren, und dann müssten wir auch noch nach dir suchen.«
    Ruby nickte. »Ich fürchte, da hast du Recht. Aber weißt du, was ich machen könnte?«, fuhr sie nach einer Pause fort. »Ich werde mich weigern, irgendjemandem die Haare zu schneiden, bis sich die Männer auf die Suche nach Girra machen.«
    »Das ist eine nette Idee, Ruby, aber so viel Zeit haben wir nicht. Falls Girra verletzt ist und irgendwo dort draußen hilflos liegt, müssen wir sie so schnell wie möglich finden. In dieser Hitze kann niemand lange überleben ohne Wasser.«
    »Glaubst du wirklich, Charlie könnte ihr etwas angetan haben?«
    »Ich weiß es nicht. Hoffentlich kommt Cyril Blake bald

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