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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Ruby.
    Myra seufzte, dann beschloss sie, Ruby ins Vertrauen zu ziehen und ihr von den Ereignissen der vergangenen Nacht, den Schreien, die sie gehört hatte, und von Charlies blutbeflecktem Hemd zu erzählen.
    »Deshalb war ich mitten in der Nacht draußen unterwegs«, schloss sie.
    »Hast du das den anderen auch erzählt?«
    »Nein, wegen Charlie. Ich will ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Ich fürchte, du wirst ihnen die Wahrheit sagen müssen. Das wird sich nicht vermeiden lassen, wenn du willst, dass wegen Girra etwas unternommen wird.«
    Myra seufzte abermals. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich denke, ich werde heute Abend mit Charlie in den Pub gehen, wenn alle versammelt sind. Dann kann er die ganze Geschichte selbst erklären. Vielleicht ändern die Männer dann ihre Meinung und starten eine Suche nach dem Mädchen.«
    Später holte Myra die beiden Kinder von der Schule ab, gab ihnen etwas zu essen und ließ sie danach auf ihrem Bett ein Schläfchen machen. Oola und Myall waren zwar immer noch ein bisschen durcheinander von den Erlebnissen dieses Tages, aber Helen war zuversichtlich, dass sie sich in der Schule eingewöhnen würden, vorausgesetzt, sie kämen regelmäßig zum Unterricht.
    »Genau da liegt jedoch das Problem«, hatte sie hinzugefügt. »Ein regelmäßiger Schulbesuch gehört nun einmal nicht zur Lebensweise der Aborigines.«
    Myra wusste, sie hatte Recht. »Ich werde versuchen, Jinny davon zu überzeugen, dass sie die Kinder von Montag bis Freitag in die Schule schicken muss.«
    Helen nickte. Falls die Kinder nicht wenigstens ein paar Tage pro Woche zum Unterricht kamen, würde die Schule geschlossen werden. An die Konsequenzen – für sich selbst und für die Stadt – wollte sie lieber nicht denken.
    Ruby war mit Jed draußen bei Bernie, um Silver Flake zu trainieren, als Jinny am Abend kam, um ihre beiden Jüngsten abzuholen. Sie war über alle Maßen erstaunt, als Myra ihr erzählte, die Kinder seien in der Schule gewesen und die beiden Regierungsbeamten hätten die Stadt fluchtartig verlassen.
    »Du musst die Kinder regelmäßig in die Schule schicken, Jinny. Unterschreib ein paar Papiere, dann sind sie rechtmäßig angemeldet und können euch nicht mehr ohne Weiteres weggenommen und in ein Heim gesteckt werden.«
    Jinny nickte, aber Myra war sich nicht sicher, ob sie die Bedeutung dessen, was sie ihr gerade erklärt hatte, wirklich verstand – das Konzept des regelmäßigen Schulbesuchs war für die Ureinwohner zu fremdartig.
    »Danke, dass du uns geholfen hast«, sagte sie. Aber ihr Gesicht war voller Sorge. Jinny hatte Angst um ihre älteste Tochter. Girra blieb spurlos verschwunden.
    Myra sah den dreien gedankenverloren nach, dann machte sie sich auf den Weg zu Charlie, um ihn zu überreden, mit in den Pub zu gehen. Dann konnte er den anderen endlich reinen Wein einschenken. Da sie ihn zu Hause nicht antraf, lief sie zu seinem Laden. Dort war alles dunkel, aber aus dem Lagerraum hinten drang ein schwacher Lichtschein.
    Myra klopfte an die Schaufensterscheibe und presste ihr Gesicht ans Glas, um besser sehen zu können. Nach einer Weile trat Charlie aus dem Lagerraum, durchquerte zögernd den Laden und öffnete erst, als er Myra erkannte. Er machte einen seltsam ängstlichen Eindruck auf sie. Charlie forderte sie mit einer Handbewegung auf, schnell hereinzukommen, warf dann einen raschen Blick hinaus und sperrte eilig wieder zu.
    »Was ist denn los, Charlie?«
    »Ein paar Jungs haben kurz nach Ladenschluss hinten gezündelt«, sagte er.
    »Was für Jungs?«, fragte Myra ganz entgeistert. »Und was heißt gezündelt?«
    »Es waren Aborigines. Wahrscheinlich ein Racheakt für das, was ich Girra angetan habe. Oder dafür, dass ich den Angiwarras die Behörden auf den Hals gehetzt habe.«
    »Ich weiß nicht recht, Charlie.« Myra schüttelte den Kopf, hatte aber auch keine andere Erklärung. »Ist der Schaden groß?« Sie folgte Charlie zum Lagerraum.
    »Sie haben die Mülltonne angezündet. Sie war voller Kartons und stand direkt an der Rückwand. Wäre Colin Barnes nicht zufällig vorbeigekommen und hätte den Rauch gesehen, wäre der Laden wahrscheinlich abgebrannt. Colin hat beobachtet, wie die Burschen von Weitem zugesehen haben; daher weiß ich, dass es Schwarze waren.«
    Die Angst stand ihm im Gesicht geschrieben. Myra warf einen Blick in den Hof hinter dem Haus. Schwarze Rußspuren zogen sich an der Wand hinauf, und die Mülltonne war ein Raub der Flammen

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