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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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aber ich weiß, dass sie früher etliche Jockeys auf diese Weise losgeworden ist. Und wenn man genau hinsieht, kann man die Narben von ihren Zusammenstößen mit Zaunpfosten noch erkennen.«
    Das Bild, das vor Rubys geistigem Auge aufstieg, jagte ihr Angst ein. »Woher hast du sie eigentlich?«
    Sie fuhren durch die menschenleere Hauptstraße. Die Stadt war wie ausgestorben.
    »Vom Rossmarkt für gebrauchte Pferde in Sydney. Viele der Pferde, die dort gehandelt werden, gelten aus irgendeinem Grund als unbrauchbar – die einen, weil sie einen körperlichen Mangel haben, die anderen, weil sie eine Macke haben.«
    »Eine Macke? Inwiefern?«
    »Nun, wenn sie zum Beispiel irgendwann misshandelt worden sind, dann prägt sie das oft für den Rest ihres Lebens und wirkt sich auf ihr Verhalten aus. Im Pferderennsport wird zum Teil mit äußerst fragwürdigen Methoden gearbeitet; es gibt Leute, die in diesem Geschäft absolut fehl am Platz sind. Aber lassen wir das Thema lieber. Ich verabscheue Grausamkeit gegenüber Tieren.«
    »Ich auch«, sagte Ruby. »Ist es nicht riskant, sich ein Pferd dort auszusuchen, wenn man einen Champion trainieren möchte?«
    »Doch, das ist im Grunde ein reines Glücksspiel. Man hofft eigentlich nur, dass das Pferd ein paar unbedeutende Rennen gewinnt, damit man ein paar Dollar verdienen kann. Aber ein Pferd aus einer guten Zucht muss auch nicht zwangsläufig ein Sieger sein. Pferde sind wie Menschen – jedes ist anders. Sie haben verschiedene Charaktere und unterschiedliche gesundheitliche Probleme. Einige sind so angeschlagen, dass sie keinen Käufer finden, und damit ist ihr Schicksal besiegelt. Hätten Joe und ich Silver Flake nicht gekauft, wäre sie mit großer Wahrscheinlichkeit in der Abdeckerei gelandet.«
    Abermals riss Ruby erschrocken die Augen auf. »Das meinst du aber nicht im Ernst!«
    »O doch. Sie wäre zu Tierfutter verarbeitet worden.«
    »O Gott, so ein schönes Pferd!«, hauchte Ruby entsetzt.
    »Na ja, als ich sie damals kaufte, war sie ein hinterhältiges Biest. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie bloß in den Hänger zu verladen. Wir mussten ihr ein Beruhigungsmittel geben und ihr die Augen verbinden. Drei verschiedene Trainer hatten vergeblich ihr Glück mit ihr versucht, und mit jedem Scheitern waren ihre Probleme größer geworden. Einer hatte sie angeblich sogar erschießen wollen, weil sie ihm ein Stück aus dem Arm herausgebissen hatte. Zufällig kam jemand dazu und verhinderte es im letzten Moment.«
    Ruby war froh, dass sie das alles nicht vor ihrer ersten Reitstunde auf Silver Flake gewusst hatte.
    »Warum hast du dich ausgerechnet für ein so schwieriges Pferd entschieden?«
    »Das war mehr oder weniger Zufall. Als Silver Flake bei der Versteigerung über den Platz geführt wurde, hob eine Zuschauerin den Arm, wedelte mit ihrem Taschentuch herum, um eine Bekannte auf der anderen Seite auf sich aufmerksam zu machen, und rief ihr etwas zu, mit so schriller Stimme, dass sie jedes Glas zum Bersten gebracht hätte. Die Stute erschrak, sie bäumte sich auf und riss den Stallburschen, der sie geführt hatte, dabei um. Sie gebärdete sich wie wild, und es sah aus, als wollte sie den Stallburschen niedertrampeln. Die Frau mit dem Taschentuch kreischte vor Angst. Dann rannten ein paar Helfer auf den Platz, um Silver Flake einzufangen, aber sie machten alles nur noch schlimmer. In ihrer Panik galoppierte sie umher, ging auf die Helfer los, trat und biss nach ihnen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand sie erschossen hätte. Ich fackelte nicht lange, sprang über die Absperrung und rief den Helfern zu, sie sollten verschwinden. Nach einer Weile bekam ich Silver Flake am Führstrick zu fassen. So schnell ich konnte, führte ich sie vom Platz.«
    »Ist sie denn nicht auf dich losgegangen?«
    »Ich glaube, sie war einfach froh, von all den aufgeregten, schreienden Leuten wegzukommen. Hinten bei den Ställen war es kein Problem mehr, sie zu beruhigen. Da hörte ich, wie einer der Trainer sagte, nach diesem Vorfall werde das Pferd bestimmt nicht mehr zur Versteigerung angeboten, sondern gleich beseitigt.«
    »Beseitigt?«, wiederholte Ruby entsetzt.
    »Ja, sie wäre in der Abdeckerei gelandet. Ich wollte sie dem Besitzer abkaufen, aber er meinte, im Schlachthof bekäme er mehr für sie als das, was ich ihm bot. Da haben Joe und ich zusammengelegt und sie gekauft.«
    »Das ist ja eine unglaubliche Geschichte«, murmelte Ruby kopfschüttelnd. »Und wie hast du es

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