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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Zeitverschwendung, nach dem Mädchen zu suchen.«
    »Denkst du das auch?«
    Jed zuckte mit den Schultern. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Charlie ihr etwas angetan hat. Dass sie unauffindbar ist, kann alle möglichen Gründe haben. Vielleicht weiß Kadee mehr.«
    Die junge Aborigine war in den vergangenen drei Tagen nur ein einziges Mal bei Silver Flake gewesen, aber Jed schien sich mehr um sein Pferd als um die Mutter seines Kindes zu sorgen. Ruby warf ihm einen neugierigen Blick zu.
    »Ich habe das Gefühl, die Ureinwohner sind den Weißen im Allgemeinen reichlich gleichgültig«, sagte sie dann wie beiläufig.
    »Das ist nicht fair«, widersprach Jed.
    »Wieso? Es stimmt doch. Du bist auch nicht anders als die anderen Männer in der Stadt. Du hast so getan, als würdest du dich aufrichtig für Kadee freuen, aber du kümmerst dich nicht im Geringsten um sie.«
    Jed sah sie verdutzt an. »Warum sollte ich?«
    Ruby konnte es nicht fassen. »Na, hör mal! Soll sie etwa die alleinige Verantwortung für ihr Baby tragen?«
    »Natürlich, sie hat das Kind ja gewollt. Es ist jammerschade, dass sie das Pferd nicht mehr trainieren kann. Aber gut, sie hat sich schon lange ein Kind gewünscht. Das war ganz allein ihre Entscheidung.«
    Ruby starrte ihn ungläubig an. Wie konnte man nur so gefühllos sein! »Und du glaubst wahrscheinlich auch, dass Girra selbst schuld daran ist, wenn ihr etwas zugestoßen ist, nicht wahr?«
    »Könnte doch sein«, erwiderte Jed abwesend, während er Silver Flake liebevoll tätschelte.
    Ruby war so wütend, dass sie lieber nichts mehr sagte. Die Männer in der Stadt waren offenbar alle gleich. Es gab nur eine Lösung: Die Frauen würden die Suche nach Girra in die Hand nehmen müssen.
    Als Charlie an diesem Morgen zu seinem Laden hinüberging, sah er schon von Weitem, dass etwas nicht stimmte. Die Schaufenster sahen irgendwie merkwürdig aus – als wären sie beschmiert worden. Er ging langsam weiter und blieb wie angewurzelt stehen, als er erkannte, womit die Scheiben vollgeschmiert worden waren: mit Blut. Es war noch nicht getrocknet, und das jagte ihm Angst ein. Vorsichtig blickte er sich um. Die Straße war menschenleer, wie meist um diese Uhrzeit. Am liebsten wäre er davongerannt, aber er nahm all seinen Mut zusammen und schloss die Ladentür auf.
    Mit klopfendem Herzen durchquerte er den Verkaufsraum. Es sah nicht so aus, als ob jemand eingebrochen wäre. Die Hintertür war noch verschlossen. Zögernd sperrte er auf. Ein seltsames Summen drang an Charlies Ohr. Er war verwirrt. Was war das? Er folgte dem Geräusch mit seinen Augen und fuhr erschrocken zurück. Ein geköpftes junges Känguru lag auf der Türschwelle. Das Summen kam von dem riesigen Fliegenschwarm, der sich auf den Kadaver gestürzt hatte.
    Charlie schlug die Tür zu und drehte mit zitternden Fingern den Schlüssel herum. Sein Herz raste. Brechreiz stieg in ihm auf. Er lief, so schnell er konnte, zurück durch den Laden nach draußen und sperrte die Vordertür hinter sich zu. Schnurstracks lief Charlie zu Myra, doch er musste enttäuscht feststellen, dass sie nicht da war. Verdutzt kratzte er sich am Kopf, blickte sich suchend um, konnte sie aber nirgends sehen. Schließlich eilte er zurück in die Stadt und zum Pub, wo Jacko leere Flaschen stapelte. Mick machte drinnen sauber.
    »Charlie! Was führt dich denn so früh schon hierher?«, fragte er verwundert. Dann fiel ihm auf, wie blass der Ladenbesitzer war. Außerdem atmete er schwer, so als wäre er gerannt. »Ist was passiert?«
    »Hast du Myra gesehen?«, keuchte Charlie.
    »Nein. Wieso?«
    »Sie bringt mir jeden Morgen frische Eier, aber heute ist sie nicht gekommen, und zu Hause ist sie auch nicht.«
    »Und deshalb bist du so durcheinander?«
    »Nein, ich … Jemand hat meine Schaufensterscheibe mit Blut vollgeschmiert, und … und hinten auf der Türschwelle liegt ein totes Känguru, dem der Kopf fehlt.«
    »Was?« Mick fiel aus allen Wolken. »Verdammt noch mal, das geht jetzt aber wirklich zu weit!«, knurrte er wütend. »Wir sollten ein paar Männer zusammentrommeln und dem hiesigen Clan einen kleinen Besuch abstatten.«
    »Nein!«, rief Charlie schnell. »Das will ich nicht. Sie sind schon aufgebracht genug. Ich will sie nicht noch mehr verärgern.«
    »Wen willst du nicht noch mehr verärgern?«, fragte Jacko, der in diesem Moment den Schankraum betrat.
    »So kann es nicht weitergehen, Charlie«, meinte Mick. »Diese Geschichte nimmt dich doch

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