Im Hauch des Abendwindes
einen jungen Mann von einem anderen Clan heiraten.«
»Stimmt das?«, fragte Myra Jed mit leiser Stimme. Er nickte.
Ein älterer Aborigine trat vor. »Wie heißt er?«, herrschte er Ruby an.
Ob das Arunta war, dem Girra versprochen worden war? Sein Auftreten deutete darauf hin. In diesem Fall konnte Ruby das Mädchen verstehen: Der Mann hätte ihr Vater sein können. »Das kann ich euch nicht sagen«, erwiderte Ruby kopfschüttelnd. »Ich kann euch nur sagen, dass sie Angst hat, zu ihrer Sippe zurückzukehren.«
Die Ureinwohner besprachen sich, dann wandte sich Jinny an Ruby. »Sag mir, wo Girra ist.«
»Ich weiß nicht, wo sie sich jetzt aufhält. Sie wird zurückkommen, aber erst, wenn sie sich sicher sein kann, dass dem Jungen, den sie liebt, nichts passiert. Ihr werdet ihm doch nichts antun, oder?«
Jinny machte ein finsteres Gesicht, blieb ihr aber die Antwort schuldig. Die Aborigines beratschlagten sich ein weiteres Mal, dann bedachten sie die Weißen mit feindseligen Blicken, drehten sich um und gingen langsam davon.
»Was wird nur aus Girra werden?«, sagte Myra nachdenklich.
Jed schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wir können nichts weiter für sie tun.«
»Ich bin ja so froh, dass Girra nichts zugestoßen ist«, sagte Myra zu Ruby, als sie den Männern in den Pub folgten. Sie konnten jetzt alle einen Drink vertragen, und Mick hatte versprochen, einen auszugeben. »Ich möchte bloß wissen, wen ich dann nachts schreien gehört habe.«
Ruby vergewisserte sich, dass Charlie sie nicht hören konnte. »Wir haben mit Girra auch über Charlie geredet. Wir wissen jetzt, was passiert ist.«
Myra sah sie fragend an.
»Girra hatte sich heimlich mit Darel getroffen, dem jungen Mann, den sie liebte, und war auf dem Weg nach Hause, als Charlie betrunken aus dem Pub kam und sie sah. Er rief ihr zu, sie solle stehen bleiben, aber sie lief weiter. Charlie verfolgte sie. In der Nähe deines Hauses holte er sie ein und hielt sie fest. Sie wehrte sich und begann zu schreien. Ihre Schreie alarmierten Darel. Er kam ihr zu Hilfe, stürzte sich auf Charlie und warf ihn zu Boden. Er muss aufs Gesicht gefallen sein, denn als er versuchte, sich aufzusetzen, sahen sie, dass er starkes Nasenbluten hatte. Da sind sie weggelaufen.«
Myra nickte. »Wahrscheinlich hatte er Nasenbluten von dem Sturz. Cyril Blake hat uns vorhin erzählt, dass das Blut auf dem Hemd nur von Charlie selbst stammen kann.«
»Für Charlie ist die Sache damit ausgestanden, aber um Girra mache ich mir große Sorgen«, sagte Ruby. »Ich hoffe nur, sie kann sich mit ihrer Familie versöhnen und den Mann, den sie liebt, heiraten.«
»Ja, zu wünschen wäre es ihr«, meinte Myra. »Aber wie diese Geschichte ausgehen wird, liegt nicht in unserer Hand, Ruby.«
»Morgen früh werde ich das Wohnmobil nach Broken Hill bringen«, sagte Jed am Abend zu Ruby. »Ein Kumpel von mir hat dort eine Autowerkstatt. Ich will das Öl und den Ölfilter wechseln und auch die Bremsen und die Reifen kontrollieren lassen. Besser ist besser. Die Straße nach Alice Springs ist streckenweise in ziemlich schlechtem Zustand.«
»Und was ist mit unserer morgendlichen Trainingseinheit?«
»Ich werde dich bei Bernie absetzen, dann kannst du Silver Flake füttern. Das Training muss ausfallen. Wir werden dafür morgen Abend länger trainieren.«
»Ich könnte sie ein paar Runden auf der Bahn bewegen«, schlug Ruby vor.
»Nein, ich möchte nicht, dass du sie reitest, wenn du ganz allein dort draußen bist.«
»Bernie ist doch da.«
Jed schüttelte den Kopf. »Wenn du herunterfällst, könnte es Stunden dauern, bis dich jemand findet. Falls Kadee kommt, kannst du Silver Flake meinetwegen reiten, aber wenn nicht, möchte ich, dass du sie nur fütterst und striegelst, okay?«
»Von mir aus«, gab Ruby enttäuscht zurück. »Hast du keine Angst, du könntest den Camilleris in Broken Hill begegnen?«, fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
»O nein, ganz und gar nicht«, knurrte Jed.
»Wann kommst du zurück?«
»Frühestens im Laufe des Nachmittags«, antwortete Jed.
Er hatte nicht nur vor, seinen Wagen zu überprüfen, sondern wollte auch noch jemandem einen kleinen Besuch abstatten.
Es war noch dunkel, als Jed Ruby am anderen Morgen abholte. Im Osten zeigte sich ein erster schwacher Lichtschein, als er am Tor zu Bernies Einfahrt hielt und Ruby aussteigen ließ. Im Farmhaus brannte bereits Licht.
Jed war unterwegs sehr schweigsam gewesen, aber Ruby war klar, dass er vor
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