Im Hauch des Abendwindes
sich das T-Shirt und zog sich hinten im Wohnmobil um. Das Kleidungsstück reichte ihr nicht einmal bis zur Mitte ihrer Oberschenkel. Aber erstens war es so heiß, dass ihr das egal war, und zweitens war weit und breit kein Mensch. Außer Jed, und der hatte nur Augen für sein Pferd.
Als Ruby aus dem Wohnmobil kam, stand Jed bereits bis zur Taille im leuchtend blauen Meer. Er schwang sich auf Silver Flakes Rücken, und die Stute, die Augen weit aufgerissen, als die Wellen über sie hinwegspülten, begann zu schwimmen.
Ruby rannte lachend in die schäumende Brandung. Das Wasser fühlte sich wunderbar kühl und erfrischend an.
Sie schwamm zu der Stute hinaus. Als sie Silver Flake erreicht hatte, streckte Jed seinen Arm aus und zog sie hinter sich aufs Pferd. Silver Flake schwamm noch weiter hinaus.
Jed guckte über seine Schulter. »Hab ich dir nicht gesagt, sie schwimmt für ihr Leben gern?«
Ruby hatte ihre Arme um seine Taille gelegt. Diese ungewohnte Nähe machte sie ein bisschen nervös. »Sie schwimmt aber nicht zu weit hinaus, oder?«
Jed lachte. »Nein, nein. Außerdem kannst du doch schwimmen.«
»Ja, schon.«
Es kam ihr so vor, als drücke sie die Stute mit ihrem Gewicht nach unten, deshalb ließ sie sich ins Wasser gleiten und schwamm ans Ufer zurück.
Jed machte ebenfalls kehrt. Ruby lächelte, als Silver Flake neben ihr schwamm. Im seichten Wasser rutschte Jed vom Pferderücken und drückte Ruby die Zügel in die Hand. »Jetzt bist du dran.«
»Na gut!« Ruby führte Silver Flake wieder ins tiefere Wasser und schwang sich auf ihren Rücken, als sie zu schwimmen anfing. Sie lenkte die Stute parallel zum Ufer, und Jed beobachtete die beiden mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ruby strahlte und begann das neue Erlebnis zu genießen. Sie genoss jede Sekunde. Es war ein einzigartiges himmlisches Gefühl, vergleichbar höchstens mit ihrem Ritt über die Mundi-Mundi-Ebene. Sie dachte daran, dass sie bald nach Sydney in ihr altes Leben zurückkehren würde, und zu ihrem eigenen Erstaunen erfasste sie eine tiefe Traurigkeit. Energisch verdrängte sie diesen Gedanken. Ruby wollte sich das Glück des Augenblicks nicht verderben lassen.
Jed hatte unterdessen Holz gesammelt. Als Ruby mit der Stute aus dem Wasser kam, warf sich Silver Flake in den Sand und wälzte sich darin wie ein Hund. Der Anblick, wie sie sich hin und her rollte und mit allen vier Beinen strampelte, war so komisch, dass Ruby Tränen lachte.
Jed lächelte. »Das macht sie gern, wenn sie aus dem Wasser kommt.« Unauffällig ließ er seine Blicke über Ruby schweifen. Das nasse T-Shirt klebte an ihr wie eine zweite Haut. »Ich freue mich immer, wenn sie nach der harten Arbeit ihr Leben auch noch ein bisschen genießen darf.«
Als Silver Flake genug hatte, führte Ruby sie noch einmal ins Wasser, damit der Sand abgewaschen wurde.
Jed machte unterdessen Feuer.
»Bleiben wir über Nacht hier?«, fragte Ruby.
Jed nickte. »Ja, das ist ein perfekter Lagerplatz. Hier haben wir die ganze Nacht eine kühle Brise vom Meer her. Genieß es noch einmal, wir werden uns bald vom Meer entfernen, und im Landesinneren herrscht eine Gluthitze.«
Nachdem er Silver Flake gestriegelt und gefüttert hatte, bereitete Jed das Abendessen, Dosenbohnen und Würstchen, über dem Lagerfeuer zu. Ruby zog sich um und half ihm dann. Sie holte zwei Teller aus dem Wohnmobil und schnitt Brot auf.
»Wir hätten noch ein paar Kilometer weiterfahren können«, meinte Jed, als er ihr einen vollen Teller reichte. »Aber hier ist es so schön.«
Ruby nickte zustimmend. Sie saßen im Sand und aßen mit gutem Appetit, während das Feuer knisterte und prasselte und die Wellen über den einsamen Strand rollten. Es hätte nicht schöner sein können.
»In Sydney sind die Strände immer so überfüllt«, sagte Ruby in das behagliche Schweigen hinein. »Es ist herrlich, einen Strand ganz für sich allein zu haben.«
»Fehlt dir denn der Großstadtrummel nicht?«
»Nein.« Ruby schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde. Aber ich denke, ich werde mich bald wieder an das Großstadtleben gewöhnen.«
»Ganz bestimmt«, entgegnete Jed.
Als die Sonne im Westen sich dem Meer zuneigte, ritt Ruby in der frischen abendlichen Meeresbrise über den langen Sandstrand und genoss jede einzelne Sekunde. Vor Einbruch der Dunkelheit pflockte Jed die Stute neben dem Wagen an und kletterte dann in seinen Schlafsack, den er am Feuer ausgebreitet hatte. Ruby
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