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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Oder hatte er sie belogen, weil er den Kavalier spielen wollte? Sie verwarf den Gedanken wieder. Nein, er hätte es ihr gesagt, wenn sie miteinander geschlafen hätten, ganz bestimmt. Sie dachte an Jed und wurde wieder traurig. Er wusste die Wahrheit nicht und würde sie vermutlich nie erfahren. Dass er eine so geringe Meinung von ihr hatte, kränkte sie immer noch.
    Sie blickte in ihre Handtasche, auf das Bündel Banknoten, das Jed ihr aufgedrängt hatte. Das reichte, um ihren eigenen Frisiersalon aufzumachen. Aber die Lust dazu war ihr vergangen. Würde sie das Geld dafür verwenden, würde sie immer an Silver Flakes trauriges Schicksal erinnert werden. Sie ließ ihre Handtasche zuschnappen. Sie wusste noch nicht, was sie mit dem Geld anfangen würde. Aber was es auch sein mochte, Jed wäre es völlig egal.
    Nach einem Blick auf ihre Armbanduhr beschloss sie, ihre Mutter anzurufen. Bis zum Abflug hatte sie noch genug Zeit. Ruby ging zu einem öffentlichen Telefon in der Wartehalle und wählte die Nummer ihrer Tante in Fern Bay.
    »Hallo, Tante Teresa, ich bin’s. Ist Mom da?«
    »Nein, Schätzchen, du hast sie ganz knapp verpasst. Sie ist verreist und kommt erst in ein paar Tagen zurück.«
    »Was? Verreist? Wohin denn?«
    »Sie ist nach Lord Howe Island geflogen. Sie dachte, du kämst so bald nicht zurück, und da hat sie beschlossen, ein paar Tage Urlaub zu machen.«
    Ruby war sprachlos. »Wo hat sie denn das Geld für einen Urlaub auf Lord Howe Island her?«
    »Ein Mr. Smithson hat ihr ein Flugticket geschickt. Er war der Butler deines Vaters … deines leiblichen Vaters, meine ich.« Teresa hatte die Wahrheit erst vor Kurzem erfahren und musste sich noch an den Gedanken gewöhnen, dass Joe Jansen Rubys Vater war.
    »Ja, ja, das weiß ich alles, Tante Teresa«, sagte Ruby rasch, bevor ihre Tante wie üblich vom Hundertsten ins Tausendste kam. »Aber wieso schickt er Mom ein Flugticket nach Lord Howe Island? Das verstehe ich nicht.«
    »Anscheinend hat er es für sich selbst gekauft, aber es geht ihm nicht gut, und da hat er es zusammen mit einem Brief deiner Mutter geschickt. Dein Vater hat auf der Insel ein kleines Ferienhaus besessen. Mr. Smithson hat geschrieben, dass er jedes Jahr dort hingefahren sei, aber jetzt plage ihn die Gicht – oder war es ein Magengeschwür? Also, jedenfalls kann er dieses Jahr nicht hinfahren, und da dachte er, deine Mutter würde vielleicht gern ein paar Tage dort verbringen. Das ist doch nett von ihm, findest du nicht?«
    »Ja, das ist wirklich nett«, murmelte Ruby verwirrt. Im Testament ihres Vaters war mit keinem Wort ein Ferienhaus erwähnt worden. Seltsam.
    »Wann kommst du denn, Ruby?«, wollte ihre Tante wissen. »Ich habe dein Zimmer schon für dich hergerichtet.«
    »Oh … äh … ich weiß noch nicht, Tante Teresa. Ich melde mich wieder.«
    Ruby beendete das Gespräch. Sie wollte nicht nach Fern Bay, wenn ihre Mutter nicht da war. Sie überlegte kurz, ob sie zu Marissa, ihrer früheren Arbeitskollegin, fahren sollte. Doch dann kam ihr eine andere Idee. Kurz entschlossen ging sie zum Schalter und buchte ihren Flug um.
    Nach knapp zwei Stunden in der dröhnenden Ansett Sandringham 5 hatte Emily Kopfschmerzen. Das ursprünglich für militärische Zwecke gebaute Flugzeug war 1942 von der Air Force zu einem vierundzwanzigsitzigen Passagierflugzeug umgerüstet worden. Nachdem die Maschine viele Jahre für BOAC auf der fernöstlichen Route zwischen Southampton, Hongkong und Tokio eingesetzt worden war, hatte Ansett sie 1960 übernommen. Seitdem verkehrte das Wasserflugzeug zwischen Sydney und Lord Howe Island. Der Gedanke an eine Landung auf dem Wasser hatte Emily gar nicht behagt, aber als die Maschine die flaumigen weißen Wolken durchstoßen hatte und die Insel in Sicht kam, waren all ihre Ängste vergessen.
    Die elf Kilometer lange Insel lag, umgeben vom südlichsten Korallenriff der Welt, siebenhundert Kilometer nordöstlich von Sydney. Mr. Smithson hatte die Insel zwar in seinem Brief beschrieben, aber die Wirklichkeit übertraf seine Schilderungen bei Weitem. Ein erloschener Vulkan erhob sich majestätisch über der Insel und bot einen atemberaubenden Anblick. Es gab Regenwälder mit einer unglaublichen Vielfalt einzigartiger Pflanzen und Tiere, auch der Artenreichtum im Meer suchte laut Mr. Smithson seinesgleichen. Emily konnte vom Flugzeug aus türkisfarbene Buchten und weiße Strände sehen, die einen reizvollen Kontrast zum tiefblauen Südpazifik

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