Im Hauch des Abendwindes
seines Kölnisch Wassers ein. Die Jacke an sich gepresst, legte sie sich aufs Bett und weinte um den Mann, der die Liebe ihres Lebens gewesen war, bis sie irgendwann erschöpft einschlief.
Die Schatten draußen waren lang geworden, als Emily Stunden später aufwachte. Sie kam fast um vor Hunger, weil sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, aber der Kühlschrank war leer bis auf einen Krug Wasser.
»Was hast du denn gedacht«, sagte sie laut. »Schließlich wohnt hier keiner mehr.«
Sie zog sich um und machte sich auf den Weg ins Dorf. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen. Die Häuser, an denen sie vorbeikam, waren von üppigem Grün fast zugewachsen. Große Paradiesvögel tummelten sich in den Gärten, im Schatten von Kentiapalmen gediehen zarte Farne. Der Rasen vor den zumeist weiß gestrichenen, entzückenden Häusern war saftig grün. Emily verstand immer besser, warum sich Joe in diese Insel verliebt und seine Zuflucht vor Carmel geheim gehalten hatte. Sie wünschte, sie und Joe hätten Zeit gehabt, dieses Paradies gemeinsam zu genießen. Der Gedanke stimmte sie furchtbar traurig, und es gab ihr einen schmerzlichen Stich.
Die Geschäfte entlang der Hauptstraße waren schon geschlossen. Emily’s Restaurant lag eingebettet in einen tropischen, von bunten Lichterketten beleuchteten Garten. Es gab nur noch ein anderes Restaurant auf der Insel, ein Steakhaus ein Stück weiter die Straße hinunter auf der gegenüberliegenden Seite.
Das Lokal war gut besucht, aber Emily fand noch einen freien Tisch neben der Terrassentür mit einem wunderschönen Blick auf den Garten und eine der zahlreichen Buchten, die jetzt im Mondlicht schimmerten. Durch die geöffnete Tür strömte eine sanfte Brise herein. In den Bäumen funkelten die Lichterketten. Alles miteinander verband sich zu einer romantischen, märchenhaften Atmosphäre. Neben einem brennenden Teelicht stand eine einzelne rote Rose in einer Vase auf Emilys Tisch. Sie fragte den Kellner, ob der Tisch reserviert sei, aber er verneinte und lud sie ein, Platz zu nehmen. Ein Gefühl tiefer Einsamkeit überkam sie. Um sich abzulenken, studierte sie die Speisekarte und stellte erfreut fest, dass Korallenforelle die Spezialität des Abends war.
»Ich nehme die Forelle«, sagte sie zu dem Kellner. Joes und Emilys Stammlokal in Sydney war Doyle’s gewesen, wo Emily stets die im Ofen gegarte Forelle bestellt hatte. »Wenn sie nicht zu trocken ist.«
Der Kellner lächelte ihr zu. »Ich bin sicher, sie wird Ihnen ausgezeichnet schmecken, Madam. Sie wird in Weißwein gegart, mit Tomaten, Oliven, Petersilie und Lorbeerblättern, dazu werden kleine Bratkartoffeln serviert. Unser Chefkoch bereitet dieses Gericht nur zu besonderen Anlässen zu; es ist bei Einheimischen und Touristen äußerst beliebt.«
Emily hatte ihm verblüfft zugehört. Genau so war die Forelle im Doyle’s zubereitet worden. Das war ja ein merkwürdiger Zufall. Einen Augenblick erwog sie, etwas anderes zu bestellen, weil es zu schmerzlich wäre, ihr Lieblingsessen allein, ohne Joe, zu essen. Doch wenn sie ihm nahe sein wollte, gehörte auch das dazu.
»Hat Ihr Koch einmal in Doyle’s Restaurant in Sydney gearbeitet?«, fragte sie.
»Nein, Madam, Thomas Tremaine hat nie woanders gearbeitet. Er ist übrigens auch der Besitzer des Restaurants und legt schon aus diesem Grund größten Wert auf eine erlesene Küche. Sie werden Ihre Wahl nicht bereuen.«
»Da bin ich ganz sicher«, erwiderte Emily traurig.
Sie trank ein Glas Wein, während sie auf ihr Essen wartete. Es dauerte nicht lange, bis ihr Fisch serviert wurde. Er duftete ganz köstlich und sah wunderbar aus. Schon beim ersten Bissen stellte sie fest, dass die Forelle perfekt gegart war. Sie schmeckte einfach göttlich. Emily musste an die romantischen Candle-Light-Dinner mit Joe denken. Tränen brannten ihr in den Augen, aber sie riss sich zusammen. Als der Kellner kam, um das Gedeck abzuräumen, bat sie ihn, Mr. Tremaine auszurichten, dass das Essen vorzüglich gewesen sei. »Ich habe noch nie eine bessere Forelle gegessen«, sagte sie.
Der Kellner strahlte vor Stolz. »Ich werde es Mr. Tremaine bestellen, Madam.«
»Ich würde es ihm gern selbst sagen, aber er hat wahrscheinlich viel zu tun.« Als Emily sich umdrehte, sah sie jedoch, dass nur noch zwei der Gäste da waren, und die machten sich gerade auf, um zu gehen. »Nanu, sind sie alle schon gegangen?«, fragte sie erstaunt.
»Die Einheimischen kommen früh zum Essen
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