Im Hauch des Abendwindes
gewünscht oder sich für die langjährigen treuen Dienste bedankt hatte.
»Wollen Sie damit sagen, dass er sein Vermögen absichtlich verspielt hat?«, fragte Emily ungläubig.
»Das klingt absurd, ich weiß, aber ich habe keine andere Erklärung für seinen schlagartigen Leichtsinn in finanziellen Dingen«, erwiderte Mr. Smithson.
»Eigentlich bin ich ganz froh, dass er Carmel und seinen Kindern nichts hinterlassen hat«, sagte Emily, ohne nachzudenken. »Ich weiß, das klingt hartherzig, aber Jennifer und Justin sind erwachsen und können für sich selbst sorgen. Und nach allem, was ich heute gesehen habe, kommen sie viel zu sehr nach ihrer Mutter.«
Mr. Smithson nickte. »Das sehen wir genauso. Es wird den beiden jungen Leuten ganz guttun, sich ihren Lebensunterhalt zur Abwechslung einmal selbst zu verdienen. Sie haben den Luxus, in dem sie lebten, viel zu lange für selbstverständlich genommen.«
»Dass Justin die Jacht bekommen hat, ist ausgleichende Gerechtigkeit«, fügte Mrs. Mathers hinzu. »Er hat zwar immer wilde Partys an Bord gefeiert, aber nie für Treibstoff bezahlt oder sich um die Wartung des Boots gekümmert. Und weil er den Ölstand nicht kontrolliert hat, ist der Motor heiß gelaufen und hat sich entzündet. Mr. Jansen war außer sich, weil Justin und seine jungen Freunde den Tod hätten finden können, aber Justin wollte nur eines – dass sein Vater das Boot schnellstmöglich wieder instand setzen ließ, damit er seinen lockeren Lebenswandel fortsetzen konnte. Und dass Jennifer den Aston Martin möchte, ist einfach lächerlich. Sie denkt allen Ernstes, es sei unter ihrer Würde, einen mehr als zehn Jahre alten Mercedes zu fahren.« Sie schnaubte verächtlich. »Es würde ihr verdammt guttun, mal den Bus zu nehmen, damit sie sieht, wie andere leben.«
Stille trat ein, eine Weile sagte keiner etwas.
Dann, als sie durch das Geschäftsviertel von Longueville fuhren, wo an diesem Freitagnachmittag lebhafter Betrieb herrschte, fragte Emily: »Woher wissen Sie eigentlich, wo wir wohnen, Mr. Smithson?«
Er sah sie im Rückspiegel an. »Ich weiß es nur ungefähr, Ihre genaue Adresse kenne ich nicht. Mr. Jansen hat oft von Ihnen beiden gesprochen, deshalb waren wir auch nicht überrascht, Sie heute bei der Testamentseröffnung zu sehen.«
Bei diesen Worten durchströmte Emily ein warmes Glücksgefühl. Obwohl sie immer gewusst hatte, dass Joe sie nicht vergessen hatte, tat es unendlich gut, das zu hören.
Mr. Smithson schaute über die Schulter und sagte zu Ruby: »Ihr Vater hat Sie sehr geliebt, er war mächtig stolz auf Sie, Kindchen. Joe hat im Verborgenen an Ihrem Leben teilgenommen, indem er sich laufend informierte, wie es Ihnen in der Schule und später im Beruf erging. Er wusste, dass Sie bei Barbie’s arbeiteten und glücklich dort waren.« Er hatte, wie Mr. Smithson weitererzählte, auch gewusst, dass Emily immer noch auf ihn wartete, was ihm fast das Herz gebrochen hatte.
»Und warum hat er mir dann ein Pferd vermacht?«, platzte Ruby heraus. »Genau genommen noch nicht mal ein ganzes, sondern nur ein halbes.« Sie schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf. »Wahrscheinlich sollte ich es von der positiven Seite sehen. Ich meine, auf diese Weise muss ich auch nur die Hälfte der Kosten für Futter, den Hufschmied und den Tierarzt tragen.«
Mr. Smithson lachte laut heraus. Die junge Frau hatte den gleichen trockenen Humor wie ihr Vater, und das gefiel ihm. »Das Pferd, das er Ihnen hinterlassen hat, kenne ich zwar nicht, aber ich versichere Ihnen, er war ein ausgezeichneter Pferdekenner. Unterschätzen Sie also diese eine Pferdehälfte nicht!«
»Ich möchte nicht respektlos erscheinen, Mr. Smithson, aber mir scheint, mein Vater hat in den letzten Monaten seines Lebens auf eine ganze Menge Verlierer gesetzt.«
»Ruby!« Emily wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Mr. Smithson lächelte nur. »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen.«
Es war nicht mehr weit bis nach Hause, und Emily sagte, er könne sie ruhig irgendwo absetzen.
»Nein, nein, ich werde Sie bis vor die Haustür fahren.«
Also erklärte sie ihm den Weg, und kurz darauf hielt er vor ihrem Mietshaus.
Während Emily und Ruby sich von Mrs. Mathers verabschiedeten, stieg Mr. Smithson aus und öffnete die hintere Wagentür. »Es hat mich sehr gefreut, Sie beide kennenzulernen«, sagte er aufrichtig. Dann reichte er Emily einen Zettel, auf dem er seinen Namen und seine Telefonnummer notiert hatte.
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