Im Hauch des Abendwindes
sie weder einer Antwort noch eines Blickes.
Ein lautes Klopfen ließ alle drei zusammenfahren.
»Gib mir etwas, damit ich mich verteidigen kann«, zischte Jed und richtete sich mühsam auf. Mick warf ihm den Kricketschläger zu, der hinter der Tür stand. Gelegentlich spielte er eine Runde mit seinen Gästen zum Zeitvertreib. »Verdammt, Flake ist ganz allein da draußen!«
»Vielleicht ist es nur Jacko«, sagte Ruby. »Ich werde nachsehen.«
»Du bleibst, wo du bist«, befahl Mick. Er zog eine Flinte unter dem Bett hervor, legte den Finger an die Lippen und ging leise nach vorn in die Bar. Durch die Milchglasscheibe in der Tür konnte er eine Gestalt auf der Veranda erkennen. Er brachte das Gewehr in Anschlag.
»Mick, bist du da?«, rief eine Frau.
»Das ist Myra«, sagte Ruby erleichtert. »Wahrscheinlich sucht sie mich.«
Mick ließ die Waffe wieder sinken, und Jed fiel ächzend auf das Bett zurück.
»Hast du Ruby gesehen, Mick?«, war Myras erste Frage, als Mick ihr die Tür öffnete. »Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen. Sag mal, das Auto hinter dem Haus und der Pferdehänger gehören doch Jed, oder nicht?«
»Ich werde dir alles erklären, Myra«, sagte Ruby, die nach vorn geeilt war und jetzt an Mick vorbeischlüpfte.
»Da bist du ja! Gott sei Dank, ich habe mir schon solche Sorgen gemacht.« Myra hatte ernsthaft erwogen, ein paar Leute zusammenzutrommeln, um nach Ruby zu suchen.
»Entschuldige, Myra, das wollte ich nicht.« Ruby winkte Mick zum Abschied flüchtig zu und ging mit Myra zurück zu deren Haus. »Ich war auf der Mundi-Mundi-Ebene, ich habe Jed Monroe gesucht.« Sie berichtete ihr, was sich zugetragen hatte.
»Mir scheint, ich habe mir zu Recht Sorgen gemacht«, bemerkte Myra missmutig, als sie geendet hatte.
»Wer weiß, was Silver Flake passiert wäre, wäre ich nicht zufällig dort gewesen und hätte sie gefunden, Myra. Wir haben den Tierarzt angerufen, aber er verlangt fünfzig Dollar nur fürs Kommen, alles andere noch gar nicht mitgerechnet. Ich habe schon zwanzig Dollar eingenommen, den Rest will ich morgen beschaffen. Ich werde den Laden aufmachen, obwohl Sonntag ist, und den Preis für einen Haarschnitt heraufsetzen.«
»Wann kommt der Tierarzt denn?«
»Am Nachmittag, ich hab also nicht viel Zeit.«
»Da musst du aber eine Menge Kunden bedienen, Ruby. Glaubst du wirklich, dass du das schaffst? Wer geht schon am Sonntag zum Haareschneiden?«
»Es muss einfach klappen, Myra. Diese Gangster haben Jed alles geraubt, was er noch besaß. Er kann die Tierarztrechnung auf keinen Fall bezahlen.«
Ruby wälzte sich stundenlang hin und her und fand keinen Schlaf, so sehr sorgte sie sich um Silver Flake. Um vier Uhr morgens hielt es sie nicht mehr in ihrem Bett. Sie stand auf, schlüpfte in ihre Sachen und ging zum Hotel. Nirgendwo brannte Licht, alles war ruhig.
Ruby schlich hinters Haus zu dem Schuppen, in dem das Pferd untergebracht war. Die Tür quietschte in den Angeln, als sie sie öffnete. Sie machte sie nicht wieder zu, damit frische Luft hereinkonnte. Drinnen war es furchtbar stickig, und das Pferd, das mit hängendem Kopf auf dem Strohlager stand, das Mick provisorisch hergerichtet hatte, tat ihr leid.
»Wie geht es dir, mein Mädchen?«, flüsterte sie. »Hast du große Schmerzen?« In dem schwachen Mondlicht, das durch die Tür hereinfiel, konnte sie sehen, wie Flakes Bein zitterte. Der Verband war schon wieder blutdurchtränkt. Sie streichelte Flakes Kopf. »Später kommt der Tierarzt, danach geht es dir besser, ganz bestimmt.«
Mick hatte frisches Verbandszeug dagelassen, so konnte Ruby den Verband wechseln. Beruhigend redete sie auf Flake ein und streichelte sie. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie ihre Angst vollständig verloren. Die Stute sah sie neugierig mit ihren großen, warmen braunen Augen an und schien ihr aufmerksam zuzuhören.
Ruby ahnte nicht, dass Mick sie heimlich beobachtete. Er hatte das Quietschen der Scheunentür gehört und war mit seiner Flinte hinausgegangen, um nachzusehen. Ein paar Minuten blieb er und schlich sich dann unbemerkt zurück in die Bar.
Jed, der vor Schmerzen nicht schlafen konnte, rief angespannt: »Und, hast du gesehen, wer sich da draußen herumtreibt?«
»Nur Ruby. Sie sieht nach dem Pferd.«
»Um diese Zeit?« Jed war sofort misstrauisch. »Hoffentlich kommt sie nicht auf die Idee, mir mein Pferd zu klauen.«
»Blödsinn«, erwiderte Mick, ganz perplex, dass Jed auf so einen Gedanken kam. »Außerdem ist es
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