Im Hauch des Abendwindes
irgendein Gras, sondern ein ganz bestimmtes, das am Ufer des Darling River wächst und heilende Kräfte haben sollte.«
»Ach so.«
»Mein Freund schmierte sich die Salbe auf die Haut und trank von dem Sud. Der Juckreiz verschwand binnen kürzester Zeit, und die Haut heilte innerhalb weniger Tage vollkommen, nachdem er wochenlang gelitten hatte.« Martin lachte. »Er soll allerdings gerochen haben wie ein Sonntagsbraten und bei den streunenden Hunden in der Stadt äußerst beliebt gewesen sein«, fügte er hinzu. Dann wurde er wieder ernst. »Man sollte die Heilkunst der Aborigines nicht unterschätzen. Jed ist ein Narr, wenn er es nicht zumindest versucht.«
»Das finde ich auch.« Ruby war froh, dass die beiden Männer ihrer Meinung waren. »Dr. Blake und der Tierarzt haben gemeint, sie könnten nichts für ihn tun, also hat er doch nichts zu verlieren, oder?«
»Richtig«, pflichteten Jim und Martin ihr bei.
»Aber auf mich hört er nicht. Könntet ihr nicht mal mit ihm reden?«
»Versuchen können wir’s ja«, sagte Martin.
»Das ist nett. Erzählt ihm doch, was ihr mir gerade erzählt habt. Vielleicht kann ihn das ja überzeugen.«
Ruby blieb dennoch skeptisch. So wie sie Jed einschätzte, würde er sich erst umstimmen lassen, wenn die Schmerzen ihn mürbe gemacht hatten.
Als Ruby am Abend nach Hause kam, war sie völlig erledigt und wollte nur noch eines: die Füße hochlegen und sich ausruhen. Doch dazu kam es nicht. Myra war in heller Aufregung.
»Was ist denn passiert?«, fragte Ruby.
»Ach, Dot und Hennie haben sich wieder gestritten, und dann hat sich Sally, die ihre Nase ja immer überall hineinstecken muss, auch noch eingemischt.«
Ruby erinnerte sich, dass Myra am Nachmittag mit einem Glas eingelegter Eier zum Freimaurersaal hatte gehen wollen, wo sich ihre Näh- und Strickgruppe traf. Die Frauen stellten ihre Handarbeiten wohltätigen Einrichtungen wie der Heilsarmee in Adelaide zur Verfügung.
»Dieses Mal ist mir der Kragen geplatzt! Ich hab einen Eimer Wasser über ihnen ausgeleert, das hat sie wieder zur Besinnung gebracht!«
»Du hast was?« Ruby guckte sie entgeistert an. »Du meine Güte!« Sie hatte Sally kennengelernt: Diese Frau war nicht der Typ, der sich irgendetwas gefallen ließ.
»Jawohl! Das hat sie abgekühlt, das kann ich dir sagen. Und wenn sie noch einmal so einen Zirkus veranstalten, werde ich es wieder machen.«
»Vielleicht solltest du dich da raushalten, Myra. Sollen sie es doch unter sich ausmachen.«
»Nein, nein, das stiftet unter den anderen nur Unruhe. Ich kann nicht einfach tatenlos zusehen.« Sie griff grimmig nach einem großen Kochtopf, der auf dem Herd stand. »Damit hab ich ihnen gedroht. Sollen sie nur so weitermachen, dann werden sie schon sehen, was ihnen blüht!«
Ruby starrte Myra an. »Du hast ihnen gedroht, ihnen mit dem Topf eins überzubraten?«
»Nein, ich hab ihnen gedroht, dass sie da reinkommen!«
Einen Augenblick war Ruby wie versteinert. Hatte Myra den Verstand verloren? Dann begriff sie plötzlich und brach in schallendes Gelächter aus. Jetzt war Myra es, die sie verblüfft anstarrte.
»Ach Gott, du meinst deine Hühner!«, keuchte Ruby.
»Natürlich meine ich die Hühner. Was hast du denn gedacht?«
»Dass du von den Frauen aus deiner Näh- und Strickgruppe sprichst. Ich habe eine Frau namens Sally kennengelernt und mir gerade ihre Reaktion vorgestellt, als du einen Eimer Wasser über ihr ausgeschüttet hast!« Ruby fing wieder zu lachen an.
»Wenn ich das bei Sally Jenkins versuchte, würde sie mir eins überbraten«, sagte Myra kopfschüttelnd und lachte mit.
Ruby ließ sich auf einen Stuhl fallen und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte? Auf ein kühles Bier. In Sydney hab ich nie Bier getrunken, aber bei dieser Hitze hier gibt es nichts Besseres.«
»Das sagen die Männer hier auch immer. Einen Staubfänger nennen sie ein großes Glas Bier. Ich könnte jetzt auch eines vertragen. Hättest du etwas dagegen, wenn ich mitkomme?«
»Aber nein, ganz und gar nicht, ich würde mich freuen«, sagte Ruby erfreut.
Als Ruby und Myra in den Pub kamen, war es dort schon ziemlich voll. Wie alle anderen guckten sie reichlich verdattert drein, als sie Flake im hinteren Teil des Raumes in der offenen Tür der ehemaligen Vorratskammer sahen, die jetzt Jeds Krankenzimmer war. Doch dann lächelten sie. Ann und Walt Nicholls brachten immer ihre alte Cattledog-Hündin mit herein, weil sie
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