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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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um zu wissen, dass sie mit jedem Tag Nichtstun an Fitness und Kondition verloren.
    Als Ruby am Donnerstagmorgen mit Flake zurückkam, war sie bester Laune. Burt, Ernie und Jim hatten sie begleitet und so herumgefrotzelt, dass Ruby vor lauter Lachen Seitenstechen bekommen hatte. Jim müsse ständig größere Schuhe kaufen, hatte Burt gemeint, weil er sich nie die Fußnägel schneide.
    »Eigentlich hat er Größe 41, aber er trägt 45. Guck dir bloß mal diese Latschen an! Die reinsten Kähne! Darin könnte er Australien umsegeln!«
    Jim stritt das vehement ab, weigerte sich aber, Burts Aufforderung nachzukommen und Ruby seine Zehennägel zu zeigen, worüber sie im Grunde ganz froh war. Allerdings war ihr schon aufgefallen, dass Jims Füße im Verhältnis zu seiner Größe und seinem Körperbau riesig erschienen.
    Ernie schlug in die gleiche Kerbe. »Du hast sogar die Kappe deiner Arbeitsstiefel abschneiden müssen, weil du keine größeren bekommen hast!«
    »Das war ganz anders, Ernie«, sagte Burt. »Seine Zehennägel haben sich durchs Leder gebohrt und die Kappe abgetrennt.«
    »Ich hab ein Loch reingeschnitten, weil die Schuhe viel zu warm waren, ihr Blödmänner«, verteidigte sich Jim. Er wurde rot.
    Burt klopfte ihm auf die Schulter. »Nimm’s nicht tragisch, Jim. Sogar ein Bär würde dich um deine Krallen beneiden.«
    Ruby lachte Tränen. Jim war keineswegs beleidigt, er stimmte in das allgemeine Gelächter ein.
    Die Art, wie die Leute in Silverton miteinander umgingen, berührte Ruby. Mochten sie auch ihre Scherze miteinander treiben und sich gegenseitig auf den Arm nehmen, so waren sie doch füreinander da. Dieses Gemeinschaftsgefühl war ihr neu. In dem Mietshaus in Sydney, wo sie mit ihrer Mutter gewohnt hatte, hätten sie sich im Notfall nur an Beryl und Tom, ihre unmittelbaren Nachbarn, wenden können. Alle anderen Hausbewohner grüßte man, wenn man sich im Treppenhaus begegnete, aber das war auch schon alles. Ruby und ihre Mutter hatten höchstens fünf namentlich gekannt, aber sie wäre gar nicht überrascht, wenn in Silverton jeder wüsste, wann die anderen Geburtstag hatten.
    Die Sympathie und Bewunderung für die Menschen hier kam für sie selbst unerwartet. Sie würde sie vermissen, wenn sie in die Stadt zurückkehrte. Und die Leute würden sie wahrscheinlich auch vermissen, vor allem die Männer. Sie umschwärmten sie und wetteiferten um ihre Aufmerksamkeit; sie stritten sich sogar darum, wer sie und Flake auf ihrem morgendlichen Spaziergang begleiten durfte. Mick hatte eine Liste angelegt, damit jeder einmal an die Reihe kam.
    Als sie Mick erzählte, wie Ernie und Burt den armen Jim aufgezogen hatten, musste auch er darüber lachen. »Ja, Jims Zehennägel sind berühmt von Silverton bis nach Southport«, flachste er.
    Jed hörte sie miteinander scherzen und lachen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er musste etwas tun, damit er endlich wieder auf die Beine kam.
    »Ruby!«, rief er.
    »Ja?« Sie trat in die offene Tür. »Brauchst du etwas?« Sie tat, als wäre sie in großer Eile.
    »Hast du viele Kunden heute Morgen?«
    »Ja, weil ich noch nicht alle drannehmen konnte, die mich bereits bezahlt haben.« Das war geschwindelt. Inzwischen hatte sie fast jedem Einwohner einen neuen Haarschnitt verpasst, sodass nicht viel zu tun und der Tag ziemlich lang war. »Warum fragst du?«
    Jed holte Luft. »Ich halte es nicht länger hier aus, ich werde die Sache mit dem Flussschlamm ausprobieren. Dann komme ich wenigstens mal hier raus. Mir fällt so langsam wirklich die Decke auf den Kopf.«
    Ruby triumphierte innerlich, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Gut, wenn ich Girra sehe, werde ich sie fragen.«
    »Bitte bald, wenn’s geht.«
    »Falls es funktioniert, haben wir dann genug Zeit, Flake für das Rennen in Alice Springs vorzubereiten?«
    Jeds Augen wurden schmal. Sie dachte nur an das Geld; das war alles, was sie interessierte. »Vielleicht. Aber das bedeutet harte Arbeit, damit sie wieder in Form kommt.«
    »Gut.«
    Ruby wandte sich ab und strahlte. Als sie durch die Bar ging, gab sie Mick verstohlen ein Okay-Zeichen. Er nickte und lächelte. Sie hatte es geschafft.
    Bereits am anderen Morgen half Mick seinem Freund auf die Ladefläche seines Ute Pick-up. Er hatte sie mit Stroh und Decken so gut es ging gepolstert, sodass Jed sich hinlegen konnte. Wie einen Sack Mehl transportierte Mick ihn zum Fluss hinunter. Girra, Jinny, ihre Mutter, sowie Kiah, ihre Großmutter,

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