Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
weil es eine geringere Dichte hat als flüssiges Wasser).
Am Ende überließ Ibn Sina die Korrespondenz seinem begabtesten Studenten al-Ma’sumi, ein Akt, der für al-Biruni ein schmerzhafter Affront gewesen sein muss; insbesondere ist al-Ma’sumis Ton ein wenig von Ungeduld geprägt, als sei er empört darüber, dass al-Biruni frühere Antworten seines Lehrers, den er als »der Weise« bezeichnet, nicht anerkannte. Eine Stelle aus al-Ma’sumis Briefen hört sich beispielsweise so an: »Was Ihre Antwort auf den Weisen angeht … so glaube ich nicht, dass sie richtig war, und es wäre besser gewesen, wenn Sie die Worte Ihrer Kommentare angemessener gewählt hätten. Hätten Sie außerdem bemerkt, was der Weise mit seinen edlen Worten in dieser Frage gemeint hat, so hätten Sie sich nicht erlaubt, diesen Einwand vorzubringen.«
Ebenso faszinierend wie die Ideen, die von den beiden Männern diskutiert wurden, ist auch ihr Umfeld. Beide wurden im Land Khwarizm (dem heutigen Usbekistan) geboren, das zwei Jahrhunderte zuvor bereits al-Khwarizmi, den Vater der Algebra, hervorgebracht hatte. Sie stammten aber aus ganz unterschiedlichen Milieus.
Da Abu Rayhan Muhammad al-Biruni (973–1048) als einer der größten Wissenschaftler aller Zeiten eingestuft werden muss, ist es umso rätselhafter, dass sein Name im Westen kaum bekannt ist. Er war ein Universalgelehrter mit einem aufgeschlossenen, beeindruckenden Verstand; bedeutende wissenschaftliche Fortschritte erzielte er nicht nur als ausgezeichneter Mathematiker und Astronom, sondern er hinterließ auch seine Spuren als Philosoph, Theologe, Enzyklopädist, Linguist, Historiker, Geograph, Geologe, Anthropologe, Pharmakologe und Arzt. Neben al-Razi und Ibn al-Haytham gehörte er außerdem zu den ersten führenden Vertretern der modernen naturwissenschaftlichen Methode mit ihren Experimenten und Beobachtungen.
Da er keine autobiographischen Details hinterließ, ist über seine Jugend wenig bekannt. Wir wissen, dass er nicht weit von der Stadt Kath in eine Familie von bescheidenen finanziellen Mitteln hineingeboren wurde; diese war zwar in jeder Hinsicht persisch, stammte aber ursprünglich aus dem weiter östlich gelegenen Tadschikistan. Sein charakteristischer Name geht vermutlich auf das persische Wort für »Außenseiter« zurück und bezieht sich vermutlich entweder auf die tadschikischen Ursprünge seiner Familie oder auf die Tatsache, dass er als Junge aus einem abgelegenen Vorort nach Kath kam; möglicherweise wurde ihm der Name aber auch erst später beigelegt. Ungewöhnlich ist, dass dieser Name keinem anderen Gelehrten der gleichen Zeit verliehen wurde, von denen viele weit gereist waren. Möglicherweise wurde er also auch einfach in einem Ort namens Birun in der Nähe von Kath geboren.
Als junger Mann war er am Hof der irakischen Banu-Prinzen von Kath tätig, die im Auftrag der Samanidendynastie die Region von Kath beherrschten. Der Friede wurde jedoch 995 erschüttert, als eine konkurrierende Dynastie von der anderen Seite des Flusses Oxus [163] die Stadt überfiel. Jetzt musste al-Biruni fliehen. Er reiste zuerst nach Buchara, der Hauptstadt der Samaniden, wo der Herrscher, Prinz Nuh ibn Mansur, ihm Schutz gewährte; außerdem freundete er sich mit einem anderen abgesetzten Herrscher an, dem Prinzen Qabus von Gorgan (einer Stadt in Nordpersien nicht weit vom Kaspischen Meer). Aber einflussreiche Freunde zu haben reichte al-Biruni nicht; er musste sich an einen Ort begeben, an dem er seine Forschungen insbesondere in der Astronomie fortsetzen konnte. Deshalb spielte er mit dem Gedanken, in westlicher Richtung nach Bagdad zu ziehen, entschied sich aber dagegen: Die Reise war zu weit. Stattdessen ging er nach Rayy, wo er einige Jahre in Elend und Armut lebte; königliche Unterstützung für seine Arbeiten zu gewinnen gelang ihm nicht.
Ein paar Jahre später wendete sich sein Schicksal: 999 erhielt er eine Einladung von dem wiedereingesetzten Prinzen Qabus in Gorgan, und nun ließ er Rayy mit Vergnügen hinter sich. Quabus widmete er sein großes historisches Werk Die Chronologie alter Nationen , ein Buch, das noch heute als eine der großartigsten jemals verfassten Quellen für mittelalterliche Geschichte gilt.
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war sein Ruf als einer der führenden Denker seiner Generation gesichert. Jetzt ließ er sich wieder in das friedlichere Khwarizm und seine Hauptstadt Gurganj locken (die heute Kunya Urgench oder
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