Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim al-Khalili
Vom Netzwerk:
Denn wenn die Krankheit günstig verläuft und die Pusteln wenig an Zahl sind, wirst du feststellen, dass diese Behandlungsmethode verhindert, dass sie in den Augen ausbrechen. Wenn du aber siehst, dass der Ausbruch heftig ist und die Pusteln schon zu Beginn des Ausbruchs zahlreich sind, wenn die Augenlider jucken und das Weiße der Augen gerötet ist, so werden die Pusteln in diesem Fall dort sicher ausbrechen, wenn nicht sehr energische Maßnahmen ergriffen werden; deshalb sollst du sofort mehrmals am Tag Rosenwasser in die Augen träufeln, welches mit Sumach [einem roten, zitronenähnlichen Kraut] angesetzt wurde … träufle in die Augen ein wenig vom Saft des Marks saurer Granatäpfel, welches zuvor gekaut oder in einem Tuch zerdrückt wurde. Dann reinige die Augenlider mit dem Collyrium [Augenspülung] aus Rotem Hornmohn, dem Saft unreifer Weintrauben, Berberitze, Aloe und Akazie sowie einem zehnten Teil Safran; wenn du ebenfalls ein wenig von dieser Spülung in die Augen träufelst, wird es dieses Mal nützlich sein. [131]
    Betrachten wir noch einmal kurz sein Werk über Alchemie, Das Buch der Geheimnisse ( Kitab al-Asrar ): Darin erkennen wir ungeachtet des sinnträchtigen Titels kaum Anzeichen für alchemistische Mystik und Symbolismus. [132] Al-Razi ließ sich trotz der Zeit, in der er lebte, von keiner Behauptung beeindrucken, die nicht experimentell bewiesen und in ihrer Stichhaltigkeit überprüft worden war. Wie Ibn al-Haytham und al-Biruni, zwei andere große muslimische Wissenschaftler, die ihm im nächsten Jahrhundert nachfolgen sollten, so zeichnete auch er peinlich genau und in allen Einzelheiten seine Apparaturen, Methoden und Versuchsbedingungen sowie die Ergebnisse seiner sorgfältigen Messungen auf. Das Buch war kein Text über alchemistische Magie, sondern eigentlich ein echtes chemisches Laborhandbuch.
    Was die Philosophie anging, war al-Razi vermutlich der am freiheitlichsten denkende Gelehrte des ganzen Islam. Er glaubte wie die Griechen, dass ein fähiger Arzt auch Philosoph sein sollte, der sich in den grundlegenden Fragen des Daseins auskennt. In der Frage der Unendlichkeit war er beispielsweise anderer Meinung als al-Kindi. In seinen Augen hatte Gott das Universum nicht aus dem Nichts erschaffen, sondern es aufgrund vorhandener Prinzipien zusammengestellt. Er war der Ansicht, dass die Zeit als etwas Absolutes, Unendliches existiert. Ihr Vorhandensein setzte demnach keine Bewegung und damit auch keine Materie im Raum voraus. Damit kam er sehr nahe an die Ansichten über das Wesen der Zeit heran, die Newton vertrat (und die ihrerseits von Einstein verworfen wurden).
    Das Erstaunlichste an al-Razi war nach einer vielfach geäußerten Meinung seine Einstellung gegenüber der Religion. Ein berühmtes Zitat von ihm lautete:
Wenn man religiöse Menschen nach dem Beweis für die Stichhaltigkeit ihrer Religion fragt, entflammen sie, werden wütend und vergießen das Blut dessen, der sie mit dieser Frage konfrontiert. Sie verbieten rationale Überlegungen und trachten danach, ihre Feinde zu töten. Das ist der Grund, warum die Wahrheit gründlich zum Schweigen gebracht und verborgen wurde. [133]
    Besonders hart ging er mit allen prophetisch offenbarten Religionen ins Gericht. Er sagte: »Wie kann man philosophisch denken, wenn man diesen alten Ammenmärchen verpflichtet ist, welche sich auf Widersprüche, hartnäckige Unkenntnis und Dogmatismus gründen?« [134] Das war zu jener Zeit natürlich eine gefährliche, radikale Ansicht, und al-Razi wurde als Ketzer gebrandmarkt. Andererseits war er aber in der Wissenschaft eine so wichtige Persönlichkeit, dass ihm seine religionsfeindlichen Ansichten bis zu einem gewissen Grade nachgesehen wurden. Im Iran feiert man noch heute jedes Jahr am 27. August den »Razi-Tag« (oder »Tag der Pharmazie«).
    Bevor wir al-Razi verlassen, noch ein letztes Zitat von ihm selbst, das Ibn al-Nadim in seinem Fihrist wiedergibt:
Ein Mann aus China suchte mich auf und wohnte ungefähr ein Jahr lang bei mir. In dieser Zeit lernte er innerhalb von fünf Monaten arabisch zu sprechen und zu schreiben, erwarb einen geschickten Stil und konnte fachmännisch und schnell lesen. Als er in sein Land zurückzukehren wünschte, sagte er einen Monat vorher zu mir: »Ich stehe im Begriff, mich auf den Weg zu machen, und wünsche mir, dass du mir die 16 Bücher Galens diktierst, damit ich sie aufschreiben kann.« Darauf sagte ich: »Deine Zeit ist kurz bemessen, und die Länge deines

Weitere Kostenlose Bücher